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Für einen Besucher unseres schönen Landes ist es offensichtlich, dass Österreich sehr stark von einer Kultur geprägt wurde, die üblicherweise christlich genannt wird. In jedem größeren Dorf befindet sich eine Kirche mit dazugehörigem Turm. Jeder etwas höhere Gipfel wird durch ein Kreuz geziert. Auch sonst ist das Land übersät mit Marterln und Bildstöcken, die daran erinnern, dass Religion für die Menschen hier tief prägend war. In der Hauptstadt bildet der Stephansdom als religiöses Bauwerk den Mittelpunkt der Stadt und des Landes.
Auch ein Blick auf die Statistik scheint zu zeigen, dass unser Land christlich ist.
Bei der Volkszählung 20011 waren von den 8.032.926 Bewohnern Österreichs 5.915.421 katholisch und 376.150 evangelisch. Die Ostkirchen zählten 179.472 Mitglieder, andere „christlich und christlich orientierte Kirchen und Gemeinschaften“ hatten 69.227 Mitglieder (23.206 von ihnen waren Zeugen Jehovas, die wegen ihrer Ablehnung der Gottheit Jesu nicht mehr auf dem lehrmäßigen Boden des Christentums stehen). Insgesamt macht das immer noch über 6,5 Millionen und über 81 % der Bevölkerung, die Mitglieder einer „christlichen oder christlich orientierten Kirche und Gemeinschaft“ sind.
Wenn man etwa in Wien2 den „Mann auf der Straße“ fragt, ob er an Gott glaube, was ja doch die Grundbedingung zum Christsein darstellt, hört man nur selten ein klares Ja. Es sind vor allem Muslime, die sich klar zum Glauben an Gott bekennen. Mitglieder einer christlichen Kirche sind sich da üblicherweise nicht ganz so sicher. Dass es „irgendetwas Höheres“ geben muss, ist für viele schon noch eher anzunehmen. Oft wird dann aber gleich hinzugefügt: „aber nicht so, wie es die Kirche sagt“. Es ist eher ein pantheistisches Etwas, das alles durchdringt, als ein persönlicher Gott, zu dem man eine vertrauensvolle Beziehung haben kann. Der liebende Vater, von dem Jesus immer wieder gesprochen hat, der unser Leben durch und durch verändern und erfüllen will, ist den Menschen sehr ferne. Die Liebe Gottes wird, wenn von ihr die Rede ist, nicht als etwas gesehen, das das tägliche Leben prägt und bestimmt, sondern als Grund einer Erwartung, dass am Ende dann doch jeder von ihm angenommen wird. „Falls es Gott doch geben sollte, lebe ich ja doch nicht so schlimm, dass er mich zurückstoßen würde.“
Aber auch in der praktischen Lebensführung zeigt sich, dass christliche Werte immer mehr vernachlässigt werden. Die christliche Lehre über die Ehe, nach der ein Mann und eine Frau in einer bis zum Tod dauernden Verbindung ohne vor- und außereheliche Beziehungen leben, wird — von vereinzelten Ausnahmen abgesehen — ziemlich grundsätzlich ignoriert. Die typische Familie ist heutzutage eine Patchworkfamilie. 2013 standen 36.140 geschlossenen Ehen, von denen es sich aber nur bei 67,9 % für beide Partner um die erste Ehe handelte,3 15.958 Ehescheidungen gegenüber.4 Das Versprechen, einander in guten und bösen Tagen beizustehen, wird immer seltener durchgehalten. Das hängt wohl auch damit zusammen, dass es vielen Menschen immer mehr darauf ankommt, selber etwas zu empfangen. Der Wunsch, zu geben und den anderen zu tragen, ohne den es keine dauerhafte Beziehung geben kann, wird immer schwächer. Christen, die aus der Tiefe der Liebe Gottes heraus leben, sind dadurch auch zur wahren Liebe befähigt, die nicht zuerst fragt: „Was habe ich davon?“, sondern die zuerst einmal geben und tragen will.
Die Konsumhaltung, die den Gott und seinem Nächsten entfremdeten Menschen trifft, hat auch fatale Auswirkungen in Bezug auf den Wert des menschlichen Lebens. Pro Jahr werden zigtausende ungeborene Menschen durch Abtreibung ermordet.5 Selbst bei einer niedrig angesetzten Schätzung von 30.000 Abtreibungen pro Jahr gibt es seit der Einführung der Fristenlösung über 1,2 Millionen Abtreibungsopfer in Österreich. Die tatsächliche Zahl dürfte um einiges höher liegen. Mit jedem einzelnen ermordeten Kind ging ein Mensch, der nach dem Bild Gottes geschaffen wurde zugrunde. Das bedeutet viel mehr, als dass uns diese Menschen als Finanzierer der künftigen Pensionen fehlen. Durch die Abtreibungen wurden die Gewissen unzähliger Menschen in unserem Land zerstört. Niemand kann es auf Dauer ertragen, in dem Bewusstsein, dass entweder er selber oder seine Partnerin oder die beste Freundin oder ein naher Verwandter … einen oder auch mehr Menschen ermordet hat. So wird das Gewissen zum Schweigen gebracht, der Mensch taub für den Ruf Gottes.
Es geht uns hier nicht darum, ein einseitig negatives Bild unseres Landes zu zeichnen. Es gibt gewiss auch einiges Positive, für das wir sehr dankbar sind. Die in der Überschrift gestellte Frage, ob Österreich ein christliches Land sei, ist aber klar mit Nein zu beantworten. Unser Ziel ist auch nicht, eine christliche Gesellschaft aufzubauen, zu der sich die Menschen durch staatlichen oder gesellschaftlichen Zwang verpflichtet fühlen. Jesus hat klar gesagt, dass die Pforte eng ist, und der Weg schmal, der zum Leben führt. Nur wenige sind bereit, diesen Weg zu gehen (Vergleiche Matthäus 7,13–14).
Petrus hat die Menschen seiner Zeit zur Umkehr aufgerufen:
Lasst euch retten aus diesem verkehrten Geschlecht!
(Apostelgeschichte 2,40)
Die damalige jüdische Gesellschaft bestand zu einem großen Teil aus Menschen, die in irgendeiner Form das Gesetz Gottes ernst nehmen wollten. Es handelte sich um Menschen, die im Allgemeinen einen Blick für die Nöte ihrer Mitmenschen hatten, die ihrem Ehepartner die Treue bewahrten, die ihre Kinder dankbar als Geschenk Gottes annahmen und nie auf den Gedanken gekommen wären, diese durch Abtreibung zu ermorden. Trotzdem sprach Petrus von einem verkehrten Geschlecht, da sie Gottes Wirken in dem von ihm gesandten Erlöser Jesus Christus nicht annehmen wollten.
Dieser Aufruf Petri an seine Zeitgenossen gilt noch viel mehr für uns heute. Nur in einer klaren Abwendung von unseren Sünden und einer vertrauensvollen Hinwendung an Gott, der uns in Jesus Christus begegnen will, finden wir den Sinn unseres Lebens, die Freiheit von unseren Sünden. Er befähigt uns zur Liebe, die anderen selbstlos dient. So baut Gott seine Gemeinde. Es geht nicht darum, eine der traditionellen „Kirchen“ wieder neuen Schwung zu geben. Die Kirche Gottes ist keine Institution, sie ist ein lebendiger Organismus, in dem alle, die Gott lieben, einander in Liebe und Dankbarkeit füreinander dienen, wo sich niemand über seinen Bruder überhebt, wo alle ein Herz und eine Seele sind. Wir haben uns auf diesen Weg begeben und laden dazu ein.
- Statistik Austria: Bevölkerung nach demographischen Merkmalen. Das sind die letzten verfügbaren Daten. Die Zählung 2011 wurde als Registerzählung durchgeführt, bei der die Religionszugehörigkeit nicht erhoben wurde. ↩
- Im Rest Österreichs ist die „Entchristlichung“ noch nicht so weit fortgeschritten. Laut einer Umfrage des katholischen Theologen Zulehners aus dem Jahre 2010 stimmten 54 % der Österreicher dem Satz „Es gibt einen Gott, der sich in Jesus zu erkennen gegeben hat“ zu, also deutlich weniger als Mitglieder einer anerkannten christlichen Religionsgemeinschaft sind. Quelle: Religion Orf ↩
- Statistik Austria: Eheschließungen 2009. ↩
- Statistik Austria: Eheschließungen 2008. ↩
- Es gibt keine Statistiken. Lebensschützer nennen eine Zahl zwischen 30.000 und 100.000 pro Jahr Jugend für das Leben: Abtreibungszahlen, Abtreibungsgeschäftemacher gehen auch von 30–40.000 Abtreibungen pro Jahr aus (Christian Fiala, Schwangerschaftsabbruch in Österreich, 2009) ↩