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Ist es möglich, das einmal geschenkte Heil wieder zu verlieren?
Immer häufiger wird man mit der Lehre konfrontiert, dass wer einmal gerettet ist, immer gerettet sei. Dagegen geht das Neue Testament an manchen Stellen von der Möglichkeit aus, dass wir vom Glauben abfallen können.
Diese Problematik betrifft sehr direkt viele Fragen des christlichen Lebens und der Lehre über Gott, über den Menschen und über das Heil. Daher wollen wir hier dieses Thema untersuchen und zeigen, warum die Leugnung des Abfalls der gesunden Lehre widerspricht. Sie bestreitet die Liebe Gottes, die Freiheit und das Wesen des Menschen als Gottes Ebenbild. Sie nimmt Sünde und den Kampf gegen sie nicht ernst und achtet die Gnade und Heiligkeit Gottes gering, die uns zur Reue und Heiligung führen. Daher wird ein Christ in dieser Frage nach Klarheit streben.
Weiterhin soll auch gezeigt werden, dass nicht erst die bewusste Absage an Gott zum Abfall führt, sondern bereits das dauerhafte Festhalten an Sünden diese Konsequenz hat. Wir hoffen, dass sich durch diese Schrift Menschen in der Wahrheit bestärken und vor der Verführung warnen lassen.
Seht zu, Brüder, dass nicht etwa in jemandem von euch ein böses Herz des Unglaubens sei im Abfall vom lebendigen Gott. (Hebräer 3,12)
Inhalt
Die Beziehung zu Gott
Der lebendige Gott möchte eine lebendige Beziehung zu uns Menschen. Er hat uns nach seinem Bilde geschaffen, als freie Wesen und wirkliches Gegenüber seiner Person. Es entspricht der Liebe, die ja Gottes Wesen ist, dass er uns nicht als Marionetten behandelt, sondern unsere freien Entscheidungen respektiert, und dass diese uns prägen und Konsequenzen haben.
Eine lebendige Beziehung kann nur auf Grundlage einer freien Entscheidung entstehen. Ebenso jedoch, wie wir uns für das Leben mit Gott frei entscheiden können, ist es auch möglich, uns wieder von ihm abzuwenden. Das Neue Testament spricht deutlich von der Gefahr, die große Gnade der Erlösung durch den Betrug der Sünde wieder zu verlieren und in Blindheit und Finsternis, im Verderben zu enden.
Wenn wir also über Abfall sprechen, dann meinen wir den Verlust oder das Aufgeben der Beziehung zu Gott.
Was sagt das Neue Testament dazu?
Das Bild vom Weinstock
Ich bin der wahre Weinstock, und mein Vater ist der Weingärtner. Jede Rebe an mir, die nicht Frucht bringt, die nimmt er weg; und jede, die Frucht bringt, die reinigt er, dass sie mehr Frucht bringe. Ihr seid schon rein um des Wortes willen, das ich zu euch geredet habe. Bleibt in mir und ich in euch! Wie die Rebe nicht von sich selbst Frucht bringen kann, sie bleibe denn am Weinstock, so auch ihr nicht, ihr bleibt denn in mir. Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht, denn getrennt von mir könnt ihr nichts tun. Wenn jemand nicht in mir bleibt, so wird er hinausgeworfen wie die Rebe und verdorrt; und man sammelt sie und wirft sie ins Feuer, und sie verbrennen. (Johannes 15,1–6)
Jede Rebe, die keine Frucht bringt, wird abgeschnitten und im Feuer verbrannt. Frucht bringen kann die Rebe nur, wenn sie am Weinstock bleibt, das heißt, dass sie am Weinstock ist. Sie hat eine lebendige Verbindung zum Weinstock. Es geht also um Menschen, die in Beziehung zu Jesus stehen. Wer nicht in dieser Beziehung bleibt, der wird fruchtleer und somit – im Bild gesprochen – verbrannt werden.
Von Jesu Worten hier wird deutlich, dass die Möglichkeit des Verlustes der Beziehung zu ihm besteht.
Der Hebräerbrief
Denn es ist unmöglich, diejenigen, die einmal erleuchtet worden sind und die himmlische Gabe geschmeckt haben und des Heiligen Geistes teilhaftig geworden sind und das gute Wort Gottes und die Kräfte des zukünftigen Zeitalters geschmeckt haben und doch abgefallen sind, wieder zur Buße zu erneuern, da sie für sich den Sohn Gottes wieder kreuzigen und dem Spott aussetzen. Denn ein Land, das den häufig darauf kommenden Regen trinkt und nützliches Kraut hervorbringt für diejenigen, um derentwillen es auch bebaut wird, empfängt Segen von Gott, wenn es aber Dornen und Disteln hervorbringt, so ist es unbrauchbar und dem Fluch nahe, der am Ende zur Verbrennung führt. (Hebräer 6,4–8)
Menschen, die Buße getan haben, erleuchtet worden sind, die des Heiligen Geistes teilhaftig geworden sind und wieder in ein von Sünde geprägtes Leben zurückfallen, kreuzigen so, sinnbildlich gesprochen, den Sohn Gottes wieder und setzen ihn dem Spott aus. Sie verleugnen die Kraft der Erlösung in Jesus, die von der Sünde befreit. Solche Menschen können aus der Verhärtung und willentlichen Verblendung ihres Herzens nicht mehr umkehren.
Es lässt sich nur von jemandem, der sich bekehrt hat, sagen, dass er „des Heiligen Geistes teilhaftig geworden“ ist. Außerdem setzt der Ausdruck „wieder zur Buße zu erneuern“ eindeutig voraus, dass diese Menschen schon einmal Buße getan haben, das heißt, umgekehrt sind, und somit auch, dass sie Christen waren.
Dasselbe bedeutet: „Den Sohn Gottes wieder kreuzigen“, da die Erlösungstat Jesu schon einmal in Anspruch genommen wurde. Der Ausdruck „Die himmlische Gabe schmecken“ meint nicht nur ein Kosten oder Hineinschnuppern, wie das manchmal ausgelegt wird. Wenn in Hebräer 2,9 über Jesus steht, dass er den Tod geschmeckt hat, wird auch niemand sagen, dass er nicht wirklich gestorben ist.
Denn wenn wir mutwillig sündigen, nachdem wir die Erkenntnis der Wahrheit empfangen haben, bleibt kein Schlachtopfer für Sünden mehr übrig, sondern ein furchtbares Erwarten des Gerichts und der Eifer eines Feuers, das die Widersacher verzehren wird. Hat jemand das Gesetz Moses verworfen, stirbt er ohne Barmherzigkeit auf zwei oder drei Zeugen hin. Wie viel schlimmere Strafe, meint ihr, wird der verdienen, der den Sohn Gottes mit Füßen getreten und das Blut des Bundes, durch das er geheiligt wurde, für gemein erachtet und den Geist der Gnade geschmäht hat? Denn wir kennen den, der gesagt hat: „Mein ist die Rache, ich will vergelten“; und wiederum: „Der Herr wird sein Volk richten“. Es ist furchtbar, in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen! (Hebräer 10,26–31)
Auch hier ist von Menschen die Rede, zu denen sich der Schreiber selbst zählt, die die „Erkenntnis der Wahrheit empfangen haben“. Diese Formulierung beschreibt im Neuen Testament das Christwerden. Das Warten auf das Gericht und den Eifer des Feuers, das die Widersacher verzehren wird, kann nur Menschen betreffen, die ewig von Gott getrennt sind. Dass kein Schlachtopfer mehr übrig bleibt, besagt, dass sie das Opfer Jesu bereits in Anspruch genommen hatten. Ebenso, dass sie durch das Blut des Bundes geheiligt wurden.
Gemäß dieser Stelle wird das Heil schon durch mutwilliges, d.h. bewusstes und fortgesetztes, willentliches Sündigen verloren. Nicht erst die bewusste Absage eines Christen an seinen Erlöser führt zum Abfall, sondern schon das schleichende, langsame Zurückgehen in die Sünde. Dieser Zustand ist schlimmer als der Zustand einer Person, die nie Christ war.
Hebräer 3,12
Die bereits oben angeführte Stelle mahnt den Leser dazu, auf seine Geschwister in der Gemeinde zu achten, damit niemand ein „Herz des Abfalls“ hat. Hier und auch an anderen Stellen zeigt sich, dass ein enger Zusammenhang zwischen dem Abfall von Gott und dem Aufgeben einer verbindlichen Gemeinschaft unter den Christen besteht.
Bisweilen wird eingewandt, die genannten Stellen richteten sich nicht an Christen. Im ganzen Brief jedoch spricht der Schreiber zu Brüdern.
Wir wünschen aber sehr, dass jeder von euch denselben Eifer um die volle Gewissheit der Hoffnung bis ans Ende beweise, damit ihr nicht träge werdet, sondern Nachahmer derer, die durch Glauben und Ausharren die Verheißungen erben. (Hebräer 6,11–12)
Die Empfänger des Briefes müssen also nicht vom „bloßen Bekenner“ zum Christen umkehren, sondern ausharren bis ans Ende, damit sie nicht träge werden auf dem guten Weg, den sie beschritten haben.
Es lässt sich auch aus anderen Ermahnungen, in denen der Verfasser die Empfänger des Briefes als Brüder bezeichnet, klar herleiten, dass es sich zum Teil um sehr schwache, aber doch um Christen handelt, die in der Gefahr waren, die Gemeinschaft zu versäumen und sich von der Sünde wieder umstricken und verhärten zu lassen. Als vormalige Juden haben sie Sehnsucht nach dem alten Tempelkult, da sie die Reinigung von ihren Sünden durch ihre Lauheit und Leidensscheu vergessen hatten (Hebräer 10,23–39).
Aus dieser einzigartigen Situation der Hebräer lässt sich also somit keinesfalls herleiten, dass diese nicht Christen gewesen wären.
Außerdem wird diese spitzfindige Unterscheidung zwischen „bloßen Bekennern“ und Christen durch keine Stelle im Neuen Testament unterstützt.
Abfall und Irrlehren
Ihr seid von Christus abgetrennt, die ihr im Gesetz gerechtfertigt werden wollt; ihr seid aus der Gnade gefallen. (Galater 5,4)
Die Warnung vor dem Abfall verbindet sich im Neuen Testament stark mit dem Aufruf, die richtige Lehre beizubehalten. Der Galaterbrief ist ein klares Beispiel dafür. Paulus warnt die Galater am Anfang sehr eindringlich, weil sie sich so leicht zu einem „anderen Evangelium“ wegziehen lassen (Galater 1,6–9). Vom Zusammenhang des Briefes wird deutlich, dass es sich bei den Verführern um Juden handelt, die lehrten, dass die Heidenchristen das Gesetz des Mose halten müssten, um Gott gefallen zu können.
Für Paulus ist klar, dass ein Abwenden von Christus, vom geistgeführten lebendigen Leben mit Gott zu formalen kultischen Handlungen „aus der Gnade fallen“ lässt. So wie die Erlösung aus Gnade Gottes geschieht, so bedeutet das Fallen aus der Gnade den Verlust des Heils, den Abfall.
In Galater 4,11 drückt er die Befürchtung aus, er könnte vergeblich an ihnen gearbeitet haben. Wäre der Abfall sowieso nicht möglich, würde sich solch ein Bangen erübrigen.
Der Geist aber sagt ausdrücklich, dass in späteren Zeiten manche vom Glauben abfallen werden, indem sie auf betrügerische Geister und Lehren von Dämonen achten … (1 Timotheus 4,1)
Im 1. Timotheusbrief können wir sehen, dass die jungen Christen noch durch eine andere Irrlehre gefährdet waren. Eine Frühform der Gnosis (1 Timotheus 6,20) hatte bereits manche dazu verführt, vom Glauben abzuirren, Schiffbruch zu erleiden – wie das bei Hymenäus und Philetus geschah (1 Timotheus 1,18–20; 2 Timotheus 2,17).
Auch durch Habsucht und allerlei Begierden sind einige vom Glauben abgeirrt (1 Timotheus 6,6–10; 5,14–15).
Die Johannesbriefe
In manchen Fällen mag es schon zugetroffen haben, dass jemand, der sich vom Glauben abwandte, vorher nicht Christ gewesen war. Johannes schreibt in seinem Brief, in dem es um ähnliche gnostische Irrlehren geht:
Kinder, es ist die letzte Stunde, und wie ihr gehört habt, dass der Antichrist kommt, so sind auch jetzt viele Antichristen aufgetreten; daher wissen wir, dass es die letzte Stunde ist. Von uns sind sie ausgegangen, aber sie waren nicht von uns; denn wenn sie von uns gewesen wären, würden sie wohl bei uns geblieben sein; aber sie blieben nicht, damit sie offenbar würden, dass sie alle nicht von uns sind. (1 Johannes 2,18–19)
Dass diese Irrlehrer von Anfang an den Geist nicht hatten und somit nicht zur Gemeinde gehörten, begründet er damit, dass sie wohl bei ihnen geblieben wären. Das könnte den Eindruck erwecken, Johannes spräche hier von einem Regelfall und meinte, dass allein an der Treue sichtbar werden könnte, wer Christ ist und wer es nicht ist. Doch schon die Bezeichnung Antichrist zeigt deutlich, dass hier eher Initiatoren falscher Lehren und nicht untreue Gläubige gemeint sind. Da Johannes an anderen Stellen seines Briefes ganz selbstverständlich von der Möglichkeit des Abfalls ausgeht (siehe dazu die nächste Bibelstelle), wird man diese nur als Ausnahmesituation verstehen können. Die Gnostiker tarnten sich, indem sie christliches Vokabular benützten, aber einen ganz anderen Inhalt daran knüpften. Dadurch waren sie für jüngere ungefestigte Christen schwer zu durchschauen. Johannes wollte ihnen aufzeigen, dass diese Irrlehrer nie wirklich umgekehrt waren.
Bei der folgenden Stelle liegt eine andere Situation vor:
Wenn jemand seinen Bruder sündigen sieht, eine Sünde nicht zum Tod, soll er bitten, und er wird ihm das Leben geben, denen, die nicht zum Tod sündigen. Es gibt Sünde zum Tod, nicht im Hinblick auf sie sage ich, dass er bitten solle. (1 Johannes 5,16)
Johannes setzt voraus, dass es unter Brüdern sein kann, dass jemand zum Tod sündigt, d.h., dass der geistliche Tod die Folge dieses Sündigens ist. Manche konsequente Leugner des Abfalls nehmen hier an, dass der Tod nicht geistlich, sondern körperlich zu verstehen sei. Es kann aber doch nicht sein, dass Johannes den Christen erklären muss, dass man nicht für Tote beten kann! Welchen Sinn hätte dieser Abschnitt, wenn er nicht vom Abfall eines Christen spricht?!
Wenn jemand von seiner Sünde umkehrt, wie schwer sie auch sein mag, wird Gott ihm vergeben. Will er nicht umkehren, dann wird auch der leibliche Tod nichts an seiner Halsstarrigkeit ändern!
Wer aber ausharrt bis ans Ende, der wird errettet werden.
Neben den Versen, die von der Gefahr des Abfalls sprechen, mahnt das Neue Testament die Christen oftmals zu Gehorsam und Ausharren.
Es wird aber der Bruder den Bruder zum Tode überliefern und der Vater das Kind; und Kinder werden sich erheben gegen die Eltern und sie zu Tode bringen. Und ihr werdet von allen gehasst werden um meines Namens willen. Wer aber ausharrt bis ans Ende, der wird errettet werden. (Matthäus 10,21–22)
Weitere Stellen dazu finden wir in 1 Korinther 15,1–2; Kolosser 1,21–23 und in Hebräer 10,35–39.
Manche behaupten, dass die Stellen, die von Abfall sprechen, nur eine scharfe Warnung ausdrücken würden; eine Missachtung jedoch bliebe ohne Konsequenzen, denn Gott würde letztlich doch anders handeln.
Warum wird aber an so vielen Stellen der Schrift vom Ausharren bis ans Ende gesprochen, wenn der Abfall sowieso keine Konsequenzen hätte, oder es diesen gar nicht gäbe? Es passt nicht zu Gott, der immer zu seinem Wort steht, und dessen Wort sich erfüllt, leere Drohungen zu benützen, um seine Kinder zum Gehorsam zu führen. Selbst in unserer Pädagogik wird solch ein Erziehungsstil in der Regel abgelehnt.
Auch im Alten Testament kommt klar heraus, dass Gott die vergangenen Sünden nicht anrechnet, wenn jemand von seiner Gottlosigkeit umkehrt. Andererseits kann jemandem auch die Gerechtigkeit nicht helfen, wenn er sich wieder von der Wahrheit abwendet.
Wenn aber ein Gerechter von seiner Gerechtigkeit umkehrt und Unrecht tut nach all den Gräueln, die der Gottlose verübt hat – tut er es, sollte er leben? -: An all seine gerechten Taten, die er getan hat, soll nicht gedacht werden. Wegen seiner Untreue, die er begangen, und wegen seiner Sünde, die er getan hat, ihretwegen soll er sterben. Aber ihr sagt: „Der Weg des Herrn ist nicht recht“. Hört doch, Haus Israel: Ist mein Weg nicht recht? Sind nicht vielmehr eure Wege nicht recht? Wenn ein Gerechter von seiner Gerechtigkeit umkehrt und Unrecht tut und um dieser Sünden willen stirbt, so stirbt er wegen seines Unrechts, das er getan hat. (Ezechiel 18,24)
Warum gab es im Alten Testament so schwere Strafen?
Erziehen sie uns nicht, die Sünde zu fürchten, um den geistlichen Konsequenzen (Verhärtung, Gottesferne) zu entfliehen?
Stellen, die häufig gegen die Möglichkeit des Abfalls angeführt werden:
Was sollen wir nun hierzu sagen? Wenn Gott für uns ist, wer gegen uns? Er, der doch seinen eigenen Sohn nicht verschont, sondern ihn für uns alle hingegeben hat: Wie wird er uns mit ihm nicht auch alles schenken? Wer wird gegen Gottes Auserwählte Anklage erheben? Gott ist es, der rechtfertigt. Wer ist, der verdamme? Christus Jesus ist es, der gestorben, ja noch mehr, der auferweckt, der auch zur Rechten Gottes ist, der sich auch für uns verwendet. Wer wird uns scheiden von der Liebe Christi? (…) Denn ich bin überzeugt, dass weder Tod noch Leben; weder Engel noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, noch Mächte, weder Höhe noch Tiefe, noch irgendein anderes Geschöpf uns wird scheiden können von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn. (Römer 8,31–35.38–39)
Hier geht es um Gottes Treue seinen Kindern gegenüber. Wenn ein Christ die Treue bewahrt, kann ihn kein Dritter, keine fremde Macht, auch nicht der Tod, von Gott wegreißen.
Entspricht es doch Gottes Plan, dass ein Christ bis zum Ende ausharrt, wozu er auch die nötige Kraft von Ihm geschenkt bekommt. Es wird aber keine Aussage darüber gemacht, was geschieht, wenn jemand nicht mehr gegen Sünde kämpfen will und sich dadurch selbst wegreißt. Wir können nicht erwarten, dass nach jeder Verheißung auch die Voraussetzungen zu ihrer Erlangung angeführt werden.
Dies aber ist der Wille dessen, der mich gesandt hat, dass ich von allem, was er mir gegeben hat, nichts verliere, sondern es auferwecke am letzten Tag. (Johannes 6,39)
Gott will natürlich nicht, dass ein Christ verloren geht. Aber die Entscheidungen des freien Willens, den er uns aus Liebe gegeben hat, wird er nicht übergehen, was natürlich seine absolute Souveränität in keiner Weise einschränkt.
Laut 1 Timotheus 2,4 will Gott, dass alle Menschen zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen und dadurch gerettet werden. Wenn es Gottes Wille ist, warum kann es dann nicht geschehen? Weil die meisten ihr Leben nicht ändern wollen. Und genauso kann ein Christ verloren gehen, wenn er nicht mehr mit Gott leben will, d.h., wenn er die Sünde mehr liebt als den, der ihn vor Sünde bewahren möchte. Warum sollte für einen Christen ein gänzlich anderer Maßstab gelten? Vor IHM zählt kein Ansehen der Person – auch nicht das eines Bekehrten, der nicht mehr seiner Bekehrung gemäß leben möchte!
Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir, und ich gebe ihnen ewiges Leben, und sie gehen nicht verloren in Ewigkeit, und niemand wird sie aus meiner Hand rauben. (Johannes 10,27–28)
Wiederum ist von der Treue Gottes die Rede. Der Ausdruck „aus meiner Hand rauben“ zeigt, dass es um einen Angriff von außen geht. Gott wird uns treu bewahren, wenn wir IHN um Hilfe bitten. Jesus wird uns aber nicht mit Gewalt, gegen unseren gelebten Willen, in seiner Hand halten.
In ihm seid auch ihr, nachdem ihr das Wort der Wahrheit, das Evangelium eures Heils, gehört habt und gläubig geworden seid, versiegelt worden mit dem Heiligen Geist der Verheißung. Der ist das Unterpfand unseres Erbes, auf die Erlösung seines Eigentums zum Preise seiner Herrlichkeit. (Epheser 1,13–14)
Und betrübt nicht den Heiligen Geist Gottes, mit dem ihr versiegelt worden seid auf den Tag der Erlösung hin … (Epheser 4,30)
Der Heilige Geist als Anzahlung oder Unterpfand wird mit einem Siegel verglichen. Das Siegel wird als Ausdruck der Bekräftigung, Bestärkung, vielleicht auch als Erkennungsmerkmal verwendet. Aber ein Siegel ist keineswegs etwas Unzerbrechliches, sodass man Gottes Eigentum bleiben müsste. Allerdings hat das Zerbrechen Konsequenzen. Natürlich will Gott einem Christen nicht nur die Anzahlung schenken, sondern auch den vollen Lohn, also das ewige Heil. Paulus betont diesen Heilswillen Gottes sehr oft, um die Christen dadurch zu stärken.
Es geht also auch an dieser Stelle nicht um die Frage, ob man wieder von Gott abfallen kann oder nicht, sondern um eine Ermunterung an solche, die als Christ leben wollen.
Kind Gottes:
Manchmal wird aus dem Vergleich der Gotteskindschaft mit einer Eltern-Kindbeziehung hergeleitet, dass die Beziehung zu Gott unauflösbar sei. Der Ausdruck „Kind Gottes“ ist jedoch bildlich gemeint, und man kann nicht jeden Aspekt des Bildes (menschlicher Vater – Kind) auf die Beziehung zu Gott übertragen. Schließlich wird auch niemand aus eigener Entscheidung Kind seines menschlichen Vaters, wohl aber aus eigener Entscheidung Kind Gottes.
Tatsächlich wird jemand, der abfällt immer Geschöpf Gottes bleiben, so wie er Kind seiner Eltern bleibt, auch wenn keine Beziehung mehr vorhanden ist. Weil aber nur der zum Kind Gottes wird, der Jesus aufnimmt (Johannes 1,12) wird auch nur der gerettet werden, der IHM die Treue bewahrt.
Mögliche Gründe für die Leugnung des Abfalls:
Desinteresse am anderen
Man kann anderen nur das bewusst machen, was man selber bereit ist, zu leben. Wenn jemand neu zum Glauben kommt, ist es sehr entscheidend, dass ihm vor Augen gestellt wird, was die Nachfolge Jesu umfasst, und wie dies im praktischen Leben umgesetzt wird.
Man wird ihm das aber nur vermitteln können, wenn man selber die Nachfolge ernst nimmt und sie lebt. Wenn die Gemeinschaft von vielen vernachlässigt wird, eigene Interessen mehr Gewicht haben als die geistlichen, wenn die Verantwortung für andere auf wenige geladen wird oder ganz entfällt, dann hat das zur Folge, dass viele die eigenen Sünden nicht beurteilen, oder dass andere die eigenen Sünden nicht aufgeben, oder dass wieder andere in alte Sünden zurückfallen.
So ist es natürlich schwer – und manchmal auch nicht richtig – jemanden als abgefallen zu betrachten, der in Sünde lebt. Zumal so mancher, der weggegangen war, wieder zurückkehrt und einen Neuanfang macht. Steht doch hier berechtigt eher die Frage im Vordergrund, ob überhaupt schon eine Umkehr zu Gott vollzogen wurde. Unter derartigen Umständen wird schnell der Wunsch – die Irrlehre – entstehen, dass es ja keinen Abfall von einem liebenden Gott geben könne …
Es ist nicht richtig, von diesen Erfahrungen ausgehend, auch die Situation im Neuen Testament so zu interpretieren, dass alle, die sich vom Glauben wieder abkehren, vorher keine Christen gewesen wären. Dem widerspricht auch die folgende Stelle deutlich:
Denn wenn sie den Befleckungen der Welt durch die Erkenntnis unseres Herrn und Heilandes Jesus Christus entflohen sind, aber wieder in diese verwickelt und überwältigt werden, so ist für sie das Letzte schlimmer geworden als das Erste. Denn es wäre ihnen besser, den Weg der Gerechtigkeit nicht erkannt zu haben, als sich, nachdem sie ihn erkannt haben, wieder abzuwenden von dem ihnen überlieferten heiligen Gebot. Es ist ihnen aber nach dem wahren Sprichwort ergangen: „Der Hund kehrt wieder um zu seinem eigenen Gespei“ und die gewaschene Sau zum Wälzen im Kot. (2 Petrus 2,20–22)
Aufgeben des Kampfes gegen Sünde
Wem Gott nicht das Wichtigste im Leben ist, der wird auch nicht diese Liebe aufbringen, so entschlossen gegen Sünde zu kämpfen, wie Jesus gelehrt hat:
Wenn dein Auge dir Anlass zur Sünde gibt, dann reiß es aus … Matthäus 18,9
Ist ihm diese Konsequenz im Kampf zu anstrengend, so will er eine Sicherheit haben, die ihn nie mehr von Gott weggehen lässt. …
Falsche Lehren
Gnadenverständnis
Gott wirkt das Wollen und das Vollbringen, deshalb kann sich kein Mensch vor ihm rühmen. Was könnte jemand geben, was er nicht bekommen hat? Und doch wird man diese Gnade erst dann richtig erfassen, wenn man sich seinem Schöpfer mit ganzer Kraft zur Verfügung stellt.
Wer denkt, dass Gott ohne die eigene Aktivität alles zur angemessenen Zeit wirkt, um ewiges Leben zu schenken, sich demzufolge ein bequemes Leben einrichtet und andere, die nach Christi Gebot zu leben trachten, als gesetzlich betrachtet, der hat nicht wirklich verstanden, was Gnade bedeutet. „Glauben ohne Werke ist tot“ (Jakobus 2,17).
Vorherbestimmung
Vorherbestimmung im Sinne von Augustinus, Luther und Calvin besagt, dass Gott nicht nur im Vorhinein weiß, wie sich jemand entscheiden wird, sondern auch bestimmt, wer ewiges Heil erlangen wird und wer nicht (Calvin).
In dieser Weise wird die eigene Entscheidung des Menschen, sein freier Wille, als nicht gegeben definiert. Nun ist aber auch der Abfall ein Ausdruck des freien Willens. Daher wird jeder, der lehrt, dass es den freien Willen des Menschen nicht wirklich gibt, konsequenterweise auch den Abfall leugnen müssen – und umgekehrt.
Siehe dazu unsere Ausführungen zum Thema Vorherbestimmung
Aus diesen Gründen und vielen weiteren, deren Anführung den Rahmen dieser Schrift sprengen würde, sind wir davon überzeugt, dass Christen in dieser Frage eine eindeutige Stellung beziehen müssen.
Wer aber Gott fürchtet und seine Sünden bereut, bekennt und aufgibt, braucht keine Angst vor dem Abfall zu haben.