Ist Jesus Gott?

Um Jesu Wirken, seine Botschaft, seine Erlösungstat richtig verstehen zu können, müssen wir zuerst sein Wesen, seine Person kennen.

Was lehrt das Neue Testament über seine Person? Gerade diese Frage führt von den ersten Jahrhunderten an bis jetzt immer wieder zu Auseinandersetzungen. Obwohl wir den Glaubensgrundsätzen der Kirchenväter und der frühen Konzilien bezüglich dieser Problemstellung grundsätzlich zustimmen, wollen wir uns hier auf das Zeugnis der Heiligen Schrift konzentrieren, da nur sie die Quelle unseres Glaubens ist. Obwohl alle Autoren der Bibel nur fehlbare Menschen waren, vertrauen wir Gott aufs Tiefste, dass Er auf alle Glaubensfragen klare und eindeutige Antworten in seinem Wort schenkt, sodass alle wahrheitssuchenden Menschen zum gleichen Verständnis finden. Wir setzen hier das völlige Mensch-Sein Jesu voraus – er nannte sich selbst Menschensohn – und lehnen es entschieden ab, seine vollkommene Reinheit und Hingabe an Gott und die Menschen seiner Gottheit zuzuschreiben. Unser Ziel aber ist, zu zeigen, dass Jesus gemäß den Schriften des Neuen Testaments wahrhaft Gott ist – wesensgleich dem Vater.

Schon das Alte Testament deutet die Göttlichkeit des Messias an einigen Stellen an, auch wenn die meisten Aussagen über Israels Retter diese Schlussfolgerung nicht zulassen. Unter den wenigen Ausnahmen sticht Daniel 7,13–14 besonders heraus.

Ich schaute in Gesichten der Nacht: und siehe, mit den Wolken des Himmels kam einer wie der Sohn eines Menschen. Und er kam zu dem Alten an Tagen, und man brachte ihn vor ihn. Und ihm wurde Herrschaft und Ehre und Königtum gegeben, und alle Völker, Nationen und Sprachen dienten ihm. Seine Herrschaft ist eine ewige Herrschaft, die nicht vergeht, und sein Königtum, dass es nicht zerstört wird. (Daniel 7,13–14)

Der hier beschriebene Menschensohn, der klar von dem „Alten an Tagen“ unterschieden wird, empfängt göttliche Verehrung. Darüber hinaus lehrt diese Stelle die gleichzeitige Existenz von Gottes Reich und den irdischen Mächten – die nun freilich ihrer früheren Macht beraubt sind (Vers 12) – woraus man durchaus den geistlichen Charakter (im Gegensatz zum politischen) des messianischen Reiches ableiten kann. Diese Punkte bewogen Jesus wohl dazu, sich selbst häufig als Menschensohn zu bezeichnen.

Lasst mich die Anordnung des HERRN bekannt geben! Er hat zu mir gesprochen: „Mein Sohn bist du, ich habe dich heute gezeugt.“ (Psalm 2,7)

Dein Thron, o Gott, ist immer und ewig, ein Zepter der Geradheit ist das Zepter deiner Herrschaft. (Psalm 45,7)

Obwohl Psalm 2,7 und 45,7f nicht so klar bezüglich der Gottheit des Messias wie Daniel 7 sind, kann man hier dieses Verständnis auch nicht ausschließen. Auf jeden Fall scheitern die üblichen Erklärungen, damit seien Salomo oder andere jüdische Könige gemeint, allein schon weil ihre Persönlichkeit und ihre Bedeutung bei Weitem nicht an den Herrscher heranreichen, der an diesen Stellen gepriesen wird. Auf Psalm 45 greifen wir später noch einmal zurück.

Das Volk, das im Dunkel lebt, sieht ein großes Licht. Die im Land der Finsternis wohnen, Licht leuchtet über ihnen. Du vermehrst den Jubel, du machst die Freude groß. Sie freuen sich vor dir, wie man sich freut in der Ernte, wie man jauchzt beim Verteilen der Beute. Denn das Joch ihrer Last, den Stab [auf] ihrer Schulter, den Stock ihres Treibers zerbrichst du wie am Tag Midians. Denn jeder Stiefel, der dröhnend einherstampft, und [jeder] Mantel, in Blut gewälzt, fällt dem Brand anheim, [wird] ein Fraß des Feuers. Denn ein Kind ist uns geboren, ein Sohn uns gegeben, und die Herrschaft ruht auf seiner Schulter; und man nennt seinen Namen: Wunderbarer Ratgeber, starker Gott, Vater der Ewigkeit, Fürst des Friedens. Groß ist die Herrschaft, und der Friede wird kein Ende haben auf dem Thron Davids und über seinem Königreich, es zu festigen und zu stützen durch Recht und Gerechtigkeit von nun an bis in Ewigkeit. Der Eifer des HERRN der Heerscharen wird dies tun. (Jesaja 9,1–6)

Unter den Texten der Propheten ragt die Prophetie über den Friedensfürsten in Jesaja 9,1–6 heraus, denn obwohl der Prophet selbst an den Thronfolger Hiskia dachte (siehe auch Jesaja 7,14–17), sind doch seine Worte so tief inspiriert, dass keiner der irdisch-politischen Herrscher jemals diesem Bild entsprechen dürfte. Es gibt einige Weissagungen, deren Fülle und Aussagekraft von den Propheten, die sie aussprachen, nicht erfasst wurde, da ihre Erfüllung noch weit vor ihnen lag. Doch welchen unter den Menschen würden wir je „Wunderbarer Ratgeber, Starker Gott, Vater der Ewigkeit, Fürst des Friedens“ nennen?

Gerade diese Hoffnung auf einen mächtigen, irdischen Herrscher vom Schlage Davids war sehr tief im Denken der Juden verankert, sodass auch Jesus sich diesem Phänomen stellen musste. Ziel vieler seiner Aussagen und Handlungen war es, die übliche Messiasvorstellung – und damit auch das Gottesbild – seiner Zuhörer zu verändern und eben dies ist der Hintergrund, auf dem sein Wirken erst ganz verständlich wird. Alle vier Evangelien zeichnen dieses Bild, jedoch ist ein Unterschied in der Tiefe der Beschreibung zwischen den Synoptikern einerseits und Johannes andererseits unverkennbar. Wenden wir uns jenen zu.

Matthäus und Lukas beschreiben jeweils am Anfang ihrer Evangelien die Umstände der Empfängnis und Geburt Jesu, wobei ihre Differenzen – die man allerdings größtenteils leicht harmonisieren kann – auf zwei unterschiedliche Informationsquellen schließen lassen. An entscheidender Stelle jedoch, nämlich dass nicht Josef, sondern Gott Jesu Vater ist, der ihn auf wunderbare Weise im Mutterleib der Jungfrau Maria zeugte, stimmen beide Berichte aber von vornherein überein, was die Glaubwürdigkeit dieser Tatsache auf jeden Fall steigert. Markus‘ Schweigen darüber hat offensichtlich nur strukturelle Gründe (er berichtet nichts über Jesu Herkunft und Geburt), doch mit seinem „Sohn der Maria“ in Markus 6,3 (vergleiche die Parallelen in Matthäus 13,55 und Lukas 4,22) lässt auch er durchscheinen, dass ihm die ungewöhnlichen Umstände um die Zeugung Jesu wohlbekannt sind. Es war nämlich damals üblich, einen Menschen nach seinem Vater zu benennen. Dass die Leute jedoch Jesus als „Sohn der Maria“ bezeichnen, deutet an, dass sie Josef nicht für seinen Vater halten. Somit liefern diese Evangelien einen starken Hinweis auf Jesu göttliche Natur, welche ansonsten nur noch aus einigen wenigen Stellen geschlossen werden kann, so etwa Matthäus 11,25–30; 23,37–39; Markus 2,1–12. Da es aber in den entsprechenden Situationen nicht Jesu erste Absicht war, seine Göttlichkeit zu offenbaren, kann man diese hier auch nicht zwingend herleiten, obwohl ein umfassendes Verständnis dieser Passagen erst durch die Anerkennung der Gottheit Jesu möglich ist. Dagegen spricht Matthäus 25,31 schon in sich selbst stark dafür, da hier der Menschensohn, der in Herrlichkeit kommt, zugleich der Weltenrichter ist, was schlechthin die Rolle Gottes ist. Des Weiteren beschreibt der Evangelist die Anbetung Jesu durch die Jünger in solchen Worten, die ausschließlich für die Anbetung Gottes verwendet wurden (Matthäus 28,9.17), womit er klar zu erkennen gibt, für wen er Jesus hält. Und schließlich spricht die Taufformel „auf den Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes“ in Matthäus 28,19 für sich selbst.

Das gleiche Zeugnis sollten wir auch in den Schriften des Neuen Testaments erwarten, aus denen wir vom Leben und der Lehre der ersten Christen erfahren, vor allem den Paulusbriefen. Es ist allerdings zu bemerken, dass Paulus, obwohl er voller Überzeugung schreibt, Glaube an Jesus heißt Errettung (was in sich selbst schon Jesu Gottheit erfordert), keinen Anlass hat, seinen Adressaten Jesu Natur zu erklären, da er ja mit jenen denselben Glauben teilt. Trotzdem finden wir hier einige Stellen, in denen die Leugnung der Gottheit Jesu gleichsam Vergewaltigung des Textes bedeutete.

So finden wir im Philipperbrief die Gleichsetzung von Jesu Geist mit dem Heiligen Geist (1,19) und gleich danach (1,23) nennt er das „Bei-Gott-Sein“ „bei Christus sein“. Besonders auffällig ist dann Kapitel 2,5–11, da er hier Jesu Natur unumwunden der Natur Gottes gleichsetzt und darüber hinaus Jesus göttliche Verehrung zuteilwerden lässt.

Diese Gesinnung sei in euch, die auch in Christus Jesus [war], der in Gestalt Gottes war und es nicht für einen Raub achtete, Gott gleich zu sein. Aber er machte sich selbst zu nichts und nahm Knechtsgestalt an, indem er den Menschen gleich geworden ist, und der Gestalt nach wie ein Mensch erfunden, erniedrigte er sich selbst und wurde gehorsam bis zum Tod, ja, zum Tod am Kreuz. Darum hat Gott ihn auch hoch erhoben und ihm den Namen verliehen, der über jeden Namen ist, damit in dem Namen Jesu jedes Knie sich beuge, der Himmlischen und Irdischen und Unterirdischen, und jede Zunge bekenne, dass Jesus Christus Herr ist, zur Ehre Gottes, des Vaters. (Philipper 2,5–11)

Im Kolosserbrief 1,13–20 sagt er: „Er ist das Bild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene [vor] aller Schöpfung …“, ein Ausdruck, der eher den Verwandtschaftsgrad als das Folgen weiterer Söhne im Blick hat, und fährt dann fort mit: „… alles ist durch ihn und für ihn geschaffen …“, was doch eine klare Gotteslästerung wäre, wäre Christus nicht selbst Gott. Etwas später (2,9) schreibt er. „Denn in ihm wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig“, was man schwerlich als „geringer als Gott“ auslegen kann. In Titus 2,13f drückt er klar die Hoffnung aller Christen aus, nämlich die auf die Erscheinung der Herrlichkeit unseres großen Gottes und Heilandes Jesus Christus. Zweifelsohne kann nur Gott der Retter sein.

[…] indem wir die glückselige Hoffnung und Erscheinung der Herrlichkeit unseres großen Gottes und Heilandes Jesus Christus erwarten. (Titus 2,13)

Manchmal wird eingewandt, dass Paulus an einigen Stellen einen unter Gott stehenden Christus lehre (so z.B. in 1 Korinther 15,27f – jedoch spricht diese Stelle wie auch das ganze Kapitel über den Auferstandenen und die Auferstehung und somit über etwas, das nur Menschen betrifft). Durch diesen Einwand kann man aber die Aussagekraft der vorher erwähnten Stellen nicht reduzieren. Vielmehr ist es so, dass Paulus über Christus manchmal im Hinblick auf seine göttliche und manchmal im Hinblick auf seine menschliche Natur schreibt, ohne dies streng dogmatisch zu unterscheiden. Somit vertieft er die Lehre, dass sich in Christus göttliches und menschliches Wesen vereinen. Deutlich wird außerdem, dass er, der doch mit der Schrift, dem Alten Testament, so vertraut war, durch Zitate und Anspielungen eben aus dieser das Gottsein Jesu unterstrich, so z.B. 1 Korinther 2,8; Psalm 24,7–9; 1 Korinther 10,4.9; Psalm 78,15; Exodus 17,6f; Römer 10,9–13; Joel 3,5; Psalm 145,18.

Betrachten wir den Rest des Neuen Testaments – abgesehen von den johanneischen Schriften – finden wir auch hier zwingende Argumente. So gibt Lukas die letzten Worte des Stephanus (Apostelgeschichte  7,54–60) in einer Weise wieder, dass Jesu Messianität, Gott- und Menschsein so eng verbunden sind, dass nur die Anerkennung eben beider Naturen eine befriedigende Lösung darstellt.

Im Hebräerbrief wird gleich eingangs durch Zitate aus dem Alten Testament Jesu Gottheit bezeugt. So übersetzt der Autor das hebräische „Elohim“ aus dem messianischen Psalm 45, was „Gott, Götter“ oder auch „starker Herr“ bedeuten kann, mit dem griechischen „Theos“ (1,8f), was nur mit „Gott“ zu übersetzen ist, wodurch jeder Versuch, Jesus geringer als Gott zu betrachten, zum Scheitern verurteilt ist. Gleich darauf (1,10ff) richtet er das Gotteslob aus Psalm 102 an Christus, was einmal mehr zeigt, dass die Christen ihn als Schöpfer betrachteten.

Und schließlich zeigt auch Petrus durch seine häufige Wiederholung der Begriffe „Herr“ und „Heiland“ im 2. Petrusbrief seine Überzeugung. Direkt für Jesus verwendet er jene in 1,1.2.8.11.14.16; 2,1.20; 3,2.18; eher für Gott in 2,9.11; 3,8ff.15; obwohl auch hier eine Anwendung auf Jesus möglich wäre, woraus deutlich wird, dass er das Gottsein Jesu voraussetzt.

All diese Zeugnisse – und wir könnten noch weitere hinzufügen – werden in den Schriften des Johannes bestätigt, vertieft und damit überboten. Anstelle einer Beschreibung der Umstände von Jesu Geburt lädt er seine Leser gleich am Beginn seines Evangeliums ein, die Tiefen und das Geheimnis in Christi Wesen zu sehen – nicht etwa um zu verschleiern oder zu mystifizieren, sondern um Gottes große Liebe zu seiner Schöpfung zu beleuchten und den Grund für Jesu Kommen zu erklären.

Dabei macht er schon in den ersten Aussagen in vielleicht auf den ersten Blick etwas umständlichen, aber in jedem Fall unmissverständlichen Worten klar, dass das Wort Gottes – der Logos – wesensgleich mit Gott, dem Vater, ist (1,1–3). Ohne wundersame Details sagt er, dass dieses Wort Fleisch wurde, womit wiederum unzweideutig die göttliche und die menschliche Natur Jesu bezeugt sind. Besonderes Interesse verdient auch Vers 18, denn durch die Aussage vom „eingeborenen Sohn“, oder nach ebenfalls alten Handschriften „eingeborenem Gott, der in des Vaters Schoß ist“, wird die Wesensgleichheit aufgrund der Zeugung deutlich. Da Gott Geist ist und von Ewigkeit her existiert, d.h. der Urgrund und Schöpfer aller, auch der für uns unfassbaren Dinge ist, kann diese Zeugung nur eine ewige sein. Es geht also nicht um die Beschreibung eines späteren Beginns der Existenz des Sohnes, sondern um die treffende Charakterisierung der innigen Beziehung zweier wesens- und gesinnungsmäßig vollkommen in Einheit befindlicher Personen. Diese Botschaft wird nun in den Jesu Wirken beschreibenden Kapiteln mehr oder weniger deutlich wiederholt und bestätigt, wobei Johannes aber das Menschsein Jesu nicht etwa außer Acht lässt. Im Gegenteil, dieses Evangelium – welches sozusagen aus erster Hand kommt, denn der Autor war einer der dem Herrn am nächsten stehenden Personen – bezeugt in lebendiger und glaubwürdiger Weise das erstaunliche Wirken Jesu und auch die Gedanken der Jünger, welche all die drastischen und herausfordernden Tatsachen verinnerlichen mussten. So macht er die erlebte Geschichte mit der daraus erwachsenen Erkenntnis in tief greifender Weise dem Leser deutlich und glaubhaft.

Das Selbstverständnis Jesu als vollkommener Gesandter und Ebenbild des Vaters wird in zahlreichen Stellen bezeugt. Dabei ist es völlig verständlich, dass Jesus mit klaren Aussagen über seine göttliche Natur sparsam umging, da ja schon sein messianischer Anspruch mehr und mehr Widerspruch hervorrief. Doch gerade in den heftigen Kontroversen mit seinen Hauptgegnern konnte und wollte Jesus die Wahrheit über seine Person nicht verbergen, nicht zuletzt auch wegen der Anwesenheit der Jünger und der verborgenen Anhänger wegen. So finden wir in Johannes 8,37–59 im Zuge des Streites um die Abrahamkindschaft durch eine wohldurchdachte Hinführung eine Anspielung (wenn dieser Begriff hier überhaupt noch anwendbar ist) auf sein göttliches Wesen, welche durch seine Feinde gleich in aller Schärfe und Spontanität „honoriert“ wird. Dabei übertrifft Jesus die ohnehin schon für die Pharisäer inakzeptable Behauptung, Abraham habe ihn gesehen (Vers 56), noch bei Weitem, wenn er sagt: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ehe Abraham war, BIN ICH“ (Vers 58). Diese Aussage lässt keine andere Auslegung als nur „Ich bin Gott“ zu. Dieser offensichtliche grammatische „Fehler“ wurde durch die Jahrhunderte hindurch von allen Abschreibern nicht korrigiert, denn jeder verstand die Bedeutung dieses „ICH BIN“ – es ist der Name Gottes aus Exodus 3,13!

Ebenfalls zum Steinewerfen herausgefordert sahen sich die Juden in der Situation, die in Johannes 10,22–38 geschildert wird, denn auch hier beansprucht Jesus Vollmacht über Leben und Erlösung. Sein „Ich und der Vater sind eins“ muss den ohnehin negativ eingestellten Zuhörern als unerhörte Lästerung vorgekommen sein – und in der Tat, auch wenn diese Aussage streng genommen noch die Auslegung: „Ich und der Vater sind eines Sinnes, wir verfolgen das gleiche Ziel“ zulässt, so ist doch das Nennen beider Personen in einem Atemzug und in dieser Reihenfolge bestens geeignet, den Anspruch der Ebenbürtigkeit zu verstärken, der in den vorangehenden Aussagen schon erhoben wird. Die anschließende Verteidigung Jesu wirkt zwar im ersten Moment wie ein Rückzug, doch wendet er tatsächlich nur die Waffen der Widersacher gegen sie selbst, um letztlich doch nichts zurückzunehmen. Eigentlich hätten die Juden hier doch ihren Widerstand aufgeben müssen, da das Zeugnis der Werke Jesu die Wahrhaftigkeit seiner Worte zwingend bestätigte. Doch selbst das größte aller Zeichen, welches alle anderen noch in den Schatten stellte – die Auferweckung des schon vier Tage toten Lazarus – änderte nichts an ihrer Gesinnung. Im Gegenteil, dieses gab den letzten Ausschlag, die blinde Wut und Sturheit in einen konkreten Mordplan umzuformen.

Am letzten Abend vor seiner Kreuzigung offenbarte Jesus seinen Vertrauten noch viele wichtige Dinge, wobei er die Glaubwürdigkeit seiner Worte (z.B. Glaubt an Gott – glaubt an mich; Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben; Wer mich sieht, sieht den Vater; Ich bin im Vater und der Vater in mir) wieder durch das Zeugnis seiner Taten unterstrich (14,11). Auch eröffnete er Ihnen einen tieferen Einblick in seine Beziehung zum Vater und die Rolle des Heiligen Geistes. Auch wenn hier noch das Unverständnis der Jünger durch diverse Fragen und Aussagen (Johannes 14, 5.8.22 und 16,17f. 29f)) deutlich wird, so geht doch langsam aber beständig die Frucht dieser Saat auf, gipfelnd in dem spontanen Bekenntnis „Mein Herr und mein Gott“ (20,28) des Zweiflers Thomas (siehe 20,24f), der hier wohl nicht plötzlich zum Jünger mit der höchsten Erkenntnis aufsteigt, sondern eher das ausspricht, was die anderen auch schon gesehen hatten. Und dies ist der Glaube, den Johannes in seinem ganzen Evangelium vermitteln bzw. festigen will.

Auch die Offenbarung des Johannes bezeugt dies eindeutig. Jesus, das Lamm Gottes, ist der Erste und der Letzte, der von Ewigkeit her lebt (Kapitel 1,17f; siehe auch Jesaja 44,6), dem alles Lob genauso gebührt wie dem, der auf dem Thron sitzt (Kapitel 5,12–14) und der wie dieser (Kapitel 21,6) das Alpha und Omega ist (Kapitel 22,13). Gerade die Verwendung der klarsten monotheistischen Aussage des Alten Testaments (Jesaja 40,10; 62,11) müsste alle Leugner der Gottheit Jesu zur Aufgabe ihres Standpunktes bringen, es sei denn, man hielte Johannes für einen Häretiker, der den jüdischen Eingottglauben unterminieren wollte. Doch davon ist nicht nur jener, sondern auch alle anderen Autoren des Neuen Testaments weit entfernt. Stattdessen offenbart der allmächtige Gott, dass er selbst der messianische Retter des Volkes und überhaupt aller Menschen ist, indem er im einzig gezeugten Sohn (wäre dieser ein Geschöpf, so hätte Gott schon viele solche „Söhne“ gesandt oder senden können) seine immerwährende Liebe den Menschen zeigt.

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