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Unter den zahlreichen Übersetzungen der Bibel nimmt die von der Wachtturm-Gesellschaft herausgegebene „Neue-Welt-Übersetzung“ (NWÜ) eine Sonderstellung ein, da sie fast ausschließlich von den Mitgliedern der Zeugen Jehovas verwendet wird, und auch die Besonderheit aufweist, an 237 Stellen der „Christlichen Griechischen Schriften„1 den Namen „Jehova“ einzufügen, obwohl dieser in keiner einzigen erhaltenen Handschrift zu finden ist.
Wir wollen in diesem Text den Anspruch der NWÜ prüfen, eine wortgetreue Übersetzung zu sein. Diese Prüfung wird aber nicht alle möglichen Aspekte umfassen, sondern wir wollen uns auf die Stellen beschränken, die für die Lehren der Wachtturm-Gesellschaft von Belang sind. Wir wollen Zeugen Jehovas und ihnen nahestehenden Menschen mit dieser Abhandlung eine Hilfestellung zur Beurteilung der von ihnen verwendeten Übersetzung geben.2
1 Die Übersetzung der Heiligen Schrift — eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe
Wir zitieren aus dem Vorwort der NWÜ:
Es ist eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe, die Heilige Schrift aus ihren Ursprachen, Hebräisch, Aramäisch und Griechisch, in eine zeitgemäße Sprache zu übertragen. Die Heilige Schrift zu übersetzen bedeutet, die Gedanken und Aussprüche Jehova Gottes — des himmlischen Autors dieser heiligen Bibliothek von 66 Büchern, die heilige Männer vor langer Zeit unter Inspiration zu unserem Nutzen niedergeschrieben haben — in einer anderen Sprache wiederzugeben.
Das ist ein ernststimmender Gedanke. Die Übersetzer dieses Werkes, die Gott, den Urheber der Heiligen Schrift, fürchten und lieben, fühlen sich ihm gegenüber besonders verantwortlich, seine Gedanken und Erklärungen so genau wie möglich zu übermitteln. Auch fühlen sie sich dem forschenden Leser gegenüber verantwortlich, der zu seiner ewigen Rettung auf eine Übersetzung des inspirierten Wortes Gottes, des Höchsten, angewiesen ist.3
Mit diesen Worten weisen die Herausgeber auf den Maßstab hin, an dem ihr Werk zu prüfen ist. Sie wollen die „Gedanken und Erklärungen Gottes so genau wie möglich übermitteln“. Die Wachtturm-Gesellschaft hat auch dem des neutestamentlichen Griechisch nicht kundigen Leser mit der „Kingdom Interlinear Translation of the Greek Scriptures“ (kurz KIT) ein Werkzeug in die Hand gegeben, mit der die NWÜ geprüft werden kann. In diesem Werk4 befinden sich der griechische Text nach Westcott und Hort und darunter eine möglichst wörtliche Interlinear-Übersetzung. Am Rand wird die englische New-World-Translation nach der Revision von 1984 wiedergegeben. Somit hat der Leser die Möglichkeit zu einer Überprüfung der englischen New-World-Translation, auf deren Grundlage alle weiteren Übersetzungen angefertigt wurden. Wir werden in dieser Abhandlung die KIT zur Beurteilung der einzelnen besprochenen Stellen heranziehen. Englischkenntnisse sind daher hilfreich, aber nicht unbedingt erforderlich. Bei den meisten Stellen werden wir zuerst die deutsche NWÜ zitieren, dann ein Faksimile aus der KIT einfügen und zur Ergänzung noch die Version der Revidierten Elberfelder Übersetzung (ELB) bringen, welche auch nicht vollkommen ist, aber sich um eine möglichst wörtliche Übersetzung bemüht, bevor wir unsere Gedanken dazu schreiben.
Wir sind uns dessen bewusst, dass es keine leichte Aufgabe ist, die Bibel zu übersetzen, und dass es eine perfekte Übersetzung nicht geben kann. Wir betrachten es daher nicht als unsere Aufgabe, den Stil der Übersetzung oder Ungenauigkeiten zu kritisieren, die entstehen können, wenn man eher einen Gedanken korrekt wiedergeben will, als am Wortlaut festzuhalten. Wir wollen aber ein besonderes Augenmerk auf Zusammenhänge mit der Lehre der Wachtturm-Gesellschaft richten.
2 Zur Übersetzungsmethode
Bei allen modernen Übersetzungen ist es selbstverständlich, dass sie möglichst direkt aus den aufgrund der ältesten und besten vorhandenen Handschriften wissenschaftlich erarbeiteten hebräischen, aramäischen und griechischen Textausgaben übersetzen. Besonders bei den heiligen Schriften des Volkes Israel werden häufig zusätzlich auch die schon vor Christus entstandene „Septuaginta“ genannte Übersetzung ins Griechische und auch andere antike Übersetzungen herangezogen. Nur die Katholiken hatten in der Vergangenheit ihre Übersetzungen aus der „Vulgata“ genannten lateinischen Übersetzung angefertigt, die vom Konzil von Trient für authentisch erklärt worden war. Neuere katholische Bibelausgaben, wie etwa die deutsche Einheitsübersetzung, wurden aber direkt aus den Ursprachen übersetzt.
Die Wachtturm-Gesellschaft hingegen hat nur eine einzige Übersetzung direkt aus den Ursprachen angefertigt, nämlich die englische „New-World-Translation“. Die Übersetzung in alle anderen Sprachen erfolgte nicht aus den Ursprachen, sondern wurde, wie es auf dem Titelblatt der Textausgabe heißt:
Übersetzt nach der revidierten englischen Ausgabe 1984
unter getreuer Berücksichtigung der
hebräischen, aramäischen und griechischen
Ursprache
Jede Doppelübersetzung ist zugleich eine Verdoppelung der Fehlerwahrscheinlichkeit. Wenn die Wachtturm-Gesellschaft trotzdem diesen Weg gewählt hat, dann legt sich nahe, den Grund darin zu suchen, dass nur auf diesem Weg gewährleistet werden konnte, dass die im englischen Text vorgegebene dogmatisch „richtige“ Version auch in die anderen Sprachen übertragen wird.
Es ist gewiss aufwendiger, wenn sich Übersetzer die Mühe einer jahrelangen intensiven Beschäftigung mit den biblischen Sprachen auf sich nehmen, um fähig zu sein, den Text möglichst genau zu übersetzen. Wenn eine Gemeinschaft aber Wert auf eine eigene Bibelübersetzung legt, muss das diesen Aufwand wert sein, auch für die nicht-englischen Übersetzungen.
3 Zur himmlischen und irdischen Hoffnung
(Siehe dazu unsere Abhandlung zu diesem Thema)
Hebräer 11,16:
NWÜ: Jetzt aber streben sie nach einem besseren [Ort], nämlich einem, der zum Himmel gehört. Darum schämt sich Gott ihrer nicht, als ihr Gott angerufen zu werden, denn er hat ihnen eine Stadt bereitgemacht.
KIT (Kingdom-Interlinear-Translation 1985):
ELB (Revidierte Elberfelder Übersetzung): Jetzt aber trachten sie nach einem besseren, das ist nach einem himmlischen. Darum schämt sich Gott ihrer nicht, ihr Gott genannt zu werden, denn er hat ihnen eine Stadt bereitet.
Der Zusammenhang dieser Stelle spricht von den Gläubigen des Alten Bundes, insbesondere Abraham, die die Erfüllung der Verheißungen in ihrem Leben nicht hier auf der Erde gefunden haben. Der Autor des Hebräerbriefes weist darauf hin, dass sie ein besseres Vaterland suchten oder erstrebten, als jenes, das sie in ihrem irdischen Leben erfuhren. Ihr Ziel war dasselbe wie das der Gläubigen des Neuen Bundes: die ewige Gemeinschaft mit Gott. Da nun aber nach der Lehre der Wachtturm-Gesellschaft die Gläubigen des Alten Bundes die Ewigkeit nicht im Himmel, sondern im irdischen Paradies verbringen werden, war es den Übersetzern der NWÜ nicht möglich, das griechische Wort epouránios mit „himmlisch“ (wie korrekt in der KIT: „heavenly“) wiederzugeben, ohne damit in Konflikt mit ihrer Lehre zu kommen. Die umständliche Formulierung „der zum Himmel gehört“ lässt die Möglichkeit offen, es auf ein irdisches Paradies zu beziehen, das in einer nicht näher bestimmten Weise zum Himmel gehört.
4 Zum Heiligen Geist
Genesis 1,2:
NWÜ: Die Erde nun erwies sich als formlos und öde, und Finsternis war auf der Oberfläche der Wassertiefe; und Gottes wirksame Kraft bewegte sich hin und her über der Oberfläche der Wasser.
ELB: Und die Erde war wüst und leer, und Finsternis war über der Tiefe; und der Geist Gottes schwebte über dem Wasser.
Da es sich hier um eine alttestamentliche Stelle handelt, steht die KIT nicht zur Verfügung.
Es fällt auf, dass das hebräische Wort ruach von der NWÜ nicht mit „Geist“, sondern mit „wirksame Kraft“ wiedergegeben wird. Dieses Wort bedeutet nun tatsächlich auch „Wind, Hauch“ und kann auch das Lebensprinzip meinen. In Verbindung mit dem Wort elohim (Gott) steht es für den Geist Gottes, wie wir es auch an anderen Stellen der NWÜ (z. B. Hiob 27,3) finden. Es ist zumindest eine Interpretation, wenn das sonst mit „Geist“ übersetzte Wort im zweiten Vers der Bibel mit „wirksame Kraft“ wiedergegeben wird. Man scheint hier dem Gedanken an eine Personhaftigkeit des Heiligen Geistes (die freilich erst im Neuen Testament offenbart wurde), von vornherein einen Riegel vorzuschieben.
1 Timotheus 4,1:
NWÜ: Die inspirierte Äußerung aber sagt ausdrücklich, daß in späteren Zeitperioden einige vom Glauben abfallen werden, indem sie auf irreführende inspirierte Äußerungen und Lehren von Dämonen achtgeben,
KIT:
ELB: Der Geist aber sagt ausdrücklich, dass in späteren Zeiten manche vom Glauben abfallen werden, indem sie auf betrügerische Geister und Lehren von Dämonen achten,
Auch hier zeigt ein Blick auf die KIT, dass das im Interlineartext mit „spirit“ („Geist“) wiedergegebene Wort, von der NWÜ in „inspired utterance“ („inspirierte Äußerung“)5 verwandelt wurde. Während der englische Text am Rande der KIT immerhin noch in der Fußnote die Bedeutung „spirit“ (mit kleinem Anfangsbuchstaben) bietet, ist in der deutschen Ausgabe diese Fußnote nicht zu finden.
Wenn hier „Geist“ mit „inspirierte Äußerung“ umschrieben wird, wird dadurch die Lehre der Wachtturmgesellschaft, dass der Heilige Geist nicht Person, sondern nur eine Kraft Gottes sei, unterstützt.
Apostelgeschichte 5,3–4:
NWÜ: Petrus aber sprach: „Ananịas, warum hast du dich vom Satan so dreist machen lassen, dem heiligen Geist gegenüber ein falsches Spiel zu treiben und von dem Preis des Feldes insgeheim etwas zurückzubehalten? Blieb es nicht dein, solange es bei dir blieb, und war es nicht, nachdem es verkauft war, weiter in deiner Gewalt? Warum beschlossest du eine solche Tat in deinem Herzen? Du hast ein falsches Spiel getrieben, [und dies] nicht Menschen, sondern Gott gegenüber.“
KIT:
ELB: Petrus aber sprach: Hananias, warum hat der Satan dein Herz erfüllt, dass du den Heiligen Geist belogen und von dem Kaufpreis des Feldes beiseite geschafft hast? Blieb es nicht dein, wenn es unverkauft blieb, und war es nicht, nachdem es verkauft war, in deiner Verfügung? Warum hast du dir diese Tat in deinem Herzen vorgenommen? Nicht Menschen hast du belogen, sondern Gott.
Die Bedeutung des griechischen Wortes pseudomai ist in erster Linie „lügen“. Da „ein falsches Spiel treiben“ auch eine Form der Lüge ist, ist diese Wiedergabe in sich nicht ganz falsch, liegt aber hier wieder in der Tendenz, den Bibeltext an die Lehre der Wachtturm-Gesellschaft anzupassen. Da es beim Wort „lügen“ viel klarer ist, dass es hier um eine Person geht, die belogen wird, wird dieses Wort vermieden und ein Wort gewählt, das sich auch auf Nicht-Personen beziehen kann. Übrigens wird hier einmal gesagt, dass der Heilige Geist belogen wurde, und einmal, dass Gott belogen wurde. Die Lüge beiden gegenüber ist auf derselben Ebene. Der Heilige Geist ist Person wie Gott Person ist.
Interessanterweise gibt die KIT an dieser Stelle dieses griechische Wort unterschiedlich wieder: Im Zusammenhang mit dem Heiligen Geist mit „to lie“ („lügen“), im Zusammenhang mit Gott mit „to play false“ („ein falsches Spiel treiben“).
Zu dieser Stelle ist aber als Positivum zu bemerken, dass die englische Ausgabe 2013 die korrekte Übersetzung „to lie“ („lügen“) bietet. Es wird aber wohl noch eine Zeit dauern, bis das auch in den deutschen Text eindringen wird.
2 Korinther 13,14 (13):
NWÜ: Die unverdiente Güte des Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und der Anteil am heiligen Geist sei mit euch allen.
ELB: Die Gnade des Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen!
In diesem Fall gibt die KIT das griechische Wort koinonia genauso wie die NWÜ mit „Anteil“ („sharing“) wieder, es gibt daher kein Faksimile.
Da das Wort „Gemeinschaft“ die Lehre der Personhaftigkeit des Heiligen Geistes unterstützt, wird dieses Wort vermieden und durch das „sachlichere“ Wort „Anteil“ ersetzt. Die Übersetzung „Anteil“ oder „Teilhabe“ ist grundsätzlich auch möglich. Das Wörterbuch zum Neuen Testament von Walter Bauer6 bringt aber als erste Bedeutung: „Gemeinschaft, enge Verbindung, innige Beziehung“. Die NWÜ ist an dieser Stelle zumindest dogmatisch voreingenommen. Diese Beurteilung betrifft auch die Übersetzung von Philipper 2,1.
Offenbarung 1,10:
NWÜ: Durch Inspiration befand ich mich dann am Tag des Herrn, und ich hörte hinter mir eine starke Stimme gleich der einer Trompete, […]
KIT:
ELB: Ich war an des Herrn Tag im Geist, und ich hörte hinter mir eine laute Stimme wie von einer Posaune, […]
Inspiration ist gewiss eine Wirkung des Heiligen Geistes. Aber wenn Johannes „im Geiste“ schreibt, meint er offensichtlich mehr als nur das. Warum muss hier der Text abgeändert werden?
5 Wer ist Jesus?
Die Frage nach der Person Jesu ist eine Kernfrage des Christentums und auch der Punkt, in dem sich die Zeugen Jehovas deutlich von den meisten sich christlich nennenden Gruppierungen unterscheiden. Ist Jesus der wesensgleiche Sohn Gottes oder ist er der Erzengel Michael7, der Mensch wurde, nach seinem Tod und seiner Auferstehung wieder als Geistwesen (nicht als Mensch!) im Himmel ist.8 Im Lichte dieser lehrmäßigen Sonderstellung sind auch einige Textbeispiele aus der NWÜ zu betrachten.9
5.1 „Urheber“ oder „Hauptvermittler“?
Apostelgeschichte 3,15:
NWÜ: wogegen ihr den Hauptvermittler des Lebens getötet habt. Gott aber hat ihn von den Toten auferweckt, von welcher Tatsache wir Zeugen sind.
KIT:
ELB: den Fürsten10 des Lebens aber habt ihr getötet, den Gott aus den Toten auferweckt hat, wovon wir Zeugen sind
Apostelgeschichte 5,31:
NWÜ: Diesen hat Gott als Hauptvermittler und Retter zu seiner Rechten erhöht, um Israel [Gelegenheit zur] Reue und Vergebung der Sünden zu geben.
KIT:
ELB: Diesen hat Gott durch seine Rechte zum Führer11 und Retter erhöht, um Israel Buße und Vergebung der Sünden zu geben.
An diesen beiden Stellen gibt die NWÜ das griechische Wort archegós (ebenso wie in den beiden hier nicht angeführten Stellen Hebräer 2,10; 12,212) mit „Hauptvermittler“ wieder. Die Elberfelder Bibel verwendet in den beiden Stellen der Apostelgeschichte „Führer“, verweist aber in der Fußnote auf die möglichen Übersetzungen „Anfänger, Urheber, Begründer“. In Hebräer 2,10 verwendet die ELB „Urheber“, in Hebräer 12,2 „Anfänger“. Walter Bauers Wörterbuch zum Neuen Testament bietet folgende Übersetzungen des Wortes archegós an: 1. Führer, Herrscher, Fürst; 2. Anfänger, der als erster eine Reihe mit etwas beginnt; 3. Urheber, Begründer.13 Das von der NWÜ verwendete Wort „Hauptvermittler“ findet sich nicht darunter. „Mittler“ heißt auf Griechisch mesites. Dieses Wort findet sich an den angeführten Stellen nicht. Das gewählte Wort „Hauptvermittler“ wurde offensichtlich nicht aus sprachlichen Gründen, sondern aus dogmatischen Überlegungen heraus verwendet. Die KIT bleibt mit der Form „Chief Leader“ (= „Hauptführer, Oberführer“) im Rahmen der von Walter Bauer vorgeschlagenen Wiedergaben. Allerdings ergeben die Formulierungen „Hauptführer des Lebens“ (Apostelgeschichte 3,15) oder „Hauptführer und Vollkommener unseres Glaubens“ (Hebräer 12,2) nicht viel Sinn, weswegen man sich dann, um jeden möglichen Hinweis auf die göttliche Natur Jesu, der der Urheber des Lebens14 ist, zu vermeiden, zu einer Wiedergabe, die dem griechischen Text NICHT entspricht, entschlossen hat.
Es ist nun einmal ein großer Unterschied zwischen dem Urheber einer Sache und demjenigen, der diese Sache vermittelt. Man könnte etwa Einstein als den „Urheber“ der Relativitätstheorie bezeichnen. Die Aufgabe, diese Theorie den Schülern zu vermitteln, fällt jedem Physiklehrer zu.
Der Begriff „Hauptvermittler“ führt auch zu dem Gedanken, dass es neben dem „Hauptvermittler“ auch noch andere „Vermittler“, wie vor allem den „Kanal Gottes“, die Wachtturmgesellschaft, geben muss.
Hebräer 5,9:
NWÜ: […] und nachdem er vollkommen gemacht worden war, wurde er für die ewige Rettung all derer verantwortlich, die ihm gehorchen, […]
KIT:
ELB: […] und vollendet ist er allen, die ihm gehorchen, der Urheber ewigen Heils geworden, […]
Das griechische Substantiv aitios bedeutet nach Walter Bauer „Urheber“.15 Das klingt auch noch in der KIT an, die aitios mit „(one) causing“ („jemand, der verursacht“) wiedergibt. Gewiss ist ein Urheber für alles, was er verursacht, verantwortlich. Insofern trifft es zu, dass Jesus für unsere Rettung verantwortlich ist. Aber nicht jeder, der für etwas verantwortlich ist, ist auch dessen Verursacher. Die NWÜ versucht also auch hier, die Stellung Jesu abzuschwächen.
5.2 Gottheit oder göttliche Wesensart?
Kolosser 2,9:
NWÜ: denn in ihm wohnt die ganze Fülle der göttlichen Wesensart körperlich.
KIT:
ELB: Denn in ihm wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig;
Hier übersetzt die KIT „divinity“ („Göttlichkeit, Gottheit“), und auch die NWÜ weist in einer Fußnote darauf hin, dass hier wörtlich „Göttlichkeit“ steht. Warum kann man dieses Wort dann nicht gleich in den Text nehmen? Warum muss man diesen klaren Hinweis auf die göttliche Natur durch eine verschwommene Aussage wie „göttliche Wesensart“ verdunkeln?
5.3 War das Wort Gott oder ein Gott?
Johannes 1,1:
NWÜ: Im Anfang war das WORT, und das WORT war bei GOTT, und das WORT war ein Gott.16
KIT:
ELB: Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott.
Dieser Vers ist gewiss eine der wichtigsten Stellen im Zusammenhang mit der Lehre über die Gottheit Jesu Christi und damit auch der Dreieinigkeit. Deswegen beschäftigt sich auch die Studienbibel der Zeugen Jehovas in einem Anhang ausführlich mit dieser Stelle. Die Erklärung versucht durch Auflistung verschiedener Übersetzungen, in denen das zweite theos nicht als „Gott“, sondern als „göttlichen Wesens, göttlicher Art“ oder „ein Gott“ wiedergegeben wird. Darauf folgt eine Abhandlung zum Thema „singularisches Prädikatsnomen“, in der anhand verschiedener Beispiele aufzuzeigen versucht wird, dass der unbestimmte Artikel „ein“ doch gerechtfertigt ist. In den angeführten Beispielen geht es darum, dass jemand „ein Prophet“ (Markus 11,32; Johannes 4,19; 9,17), „ein Verleumder“ (Johannes 6,70), „ein Lügner“ (Johannes 8,44) usw. ist. Es ist hierbei aber darauf hinzuweisen, dass zwischen dem Wort „Gott“ und allen anderen Wörtern ein großer Unterschied besteht: Für Monotheisten ist klar, dass es nur einen einzigen Gott gibt. Als Jude und Jünger Jesu war auch der Evangelist Johannes ein Monotheist. Wenn er nun gemeint hätte, dass der Logos ein Gott neben anderen sei, dann hätte er hier gegen seine monotheistische Grundüberzeugung geschrieben. Wenn Jehovas Zeugen darauf hinweisen, dass es Übersetzungen gibt, die dem Wort „göttliches Wesen“ zuschreiben, so ist dazu zu sagen, dass zwischen den Übersetzungen, dass das Wort ein göttliches Wesen hatte und dass es Gott war, für einen Monotheisten kein inhaltlicher Unterschied besteht. Wenn es nur einen einzigen Gott gibt, dann ist ein jemand, der göttlichen Wesens ist, Gott. Also bestätigt auch die Wiedergabe mit „göttlichem Wesen“ die Lehre der Gottheit Jesu.
In dem erwähnten Anhang wird auch ein Artikel von Philip B. Harner folgendermaßen zitiert:
[…] daß derartige Nebensätze, wie der in Joh 1:1, „mit einem artikellosen Prädikat vor dem Verb in erster Linie eine Eigenschaftsbezeichnung darstellen. Sie zeigen, daß der logos die Natur des theos hat. Es gibt keine Grundlage dafür, das Prädikat theos als bestimmt aufzufassen.“
Genau das ist der Glaube, der von den Zeugen Jehovas verworfen wird. Der Logos hat die Natur des Theos. Wenn das Wort die Natur Gottes hat, ist es Gott. Es hat dieselbe göttliche Natur wie der Vater, ohne mit dem Vater identisch zu sein. Würde hier mit Artikel stehen: „Das Wort war der Gott.“, dann würde gesagt, dass das Wort der Vater wäre, da gerade zuvor ausgedrückt wird, dass das Wort bei „dem Gott“, d. h., beim Vater war. Die Identität des Wortes mit dem Vater will aber gerade nicht ausgedrückt werden, sondern deren Wesensgleichheit.
Es gibt zahlreiche Stellen im Neuen Testament, in denen das griechische Wort theós („Gott“) ohne Artikel steht und den wahren Gott meint, etwa in Matthäus 6,24; 19,26; und vor allem im Johannesprolog selbst: Johannes 1,12.13.18.
Johannes 1,12 lautet auch in der NWÜ: So viele ihn aber aufnahmen, denen gab er Befugnis, Kinder Gottes zu werden. Es steht hier nicht: Kinder eines Gottes zu werden.
Im Zusammenhang mit Johannes 1 sollte auch als Positivum erwähnt werden, dass die NWÜ Vers 18 korrekt übersetzt:17
Kein Mensch hat GOTT jemals gesehen; der einziggezeugte Gott, der am Busen[platz] beim Vater ist, der hat über ihn Aufschluß gegeben.
Die NWÜ nennt Jesus „einziggezeugter Gott“. Hier ist nicht die Übersetzung das Problem, sondern die Interpretation. Da es nur einen einzigen Gott gibt, ist auszuschließen, dass Johannes lehren wollte, dass JHWH einen anderen Gott hervorgebracht habe. „Zeugen“ ist etwas anderes als „schaffen“. Der Bildhauer, der eine Statue „schafft“, bringt ein Kunstwerk hervor, das anderen Wesens als er selber ist, selbst wenn sie dem Künstler sehr ähnlich sehen sollte. Wenn derselbe Künstler einen Sohn zeugt, dann hat der Sohn dasselbe Wesen wie der Vater. Er ist ein Mensch. Der „einziggezeugte Gott“ hat nun auch dasselbe Wesen wie sein Vater: Er ist Gott. Da es aber nur einen einzigen Gott gibt, entstehen durch die Zeugung nicht zwei Götter. Die „Zeugung“ Gottes ist ein Vorgang, der innerhalb des Wesens des einen wahren Gottes geschieht. Da Gott ewig und nicht der Zeit unterworfen ist, ist die göttliche Zeugung als etwas, was in Gott geschieht, auch ewig. Deswegen ruht der „einziggezeugte Gott“ am „Busenplatz beim Vater“. Er ist für alle Ewigkeit untrennbar mit ihm verbunden.
Es gibt auch den Vorschlag, das griechische Wort monogenes nicht mit „einziggezeugt“, sondern nur mit „einzig“ wiederzugeben. In diesem Fall würde der Text so lauten:
[…] der einzige Gott, der am Busen[platz] beim Vater ist […]18
In diesem Fall wäre die Wesensgleichheit zwischen dem Vater und dem Sohn noch stärker betont. Aber auch bei der von der NWÜ gewählten Wiedergabe mit „einziggezeugt“ ist die Wesengleichheit des Sohnes mit dem Vater ersichtlich.
5.4 Jesus vor Abraham
Johannes 8,58:
NWÜ: Jesus sprach zu ihnen: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ehe Abraham ins Dasein kam, bin ich gewesen.“
KIT:
ELB: Jesus sprach zu ihnen: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ehe Abraham war, bin ich.
Im Hintergrund dieser Änderung von „Ich bin“ zu „Ich bin gewesen“ ist die Lehre der Wachtturmgesellschaft über die Person Jesu zu sehen. Die Zeugen Jehovas glauben, dass Jesus der Erzengel Michael sei, und als solcher schon vor Abraham existiert hat. Sie bestreiten aber, dass Jesus der ewige Sohn Gottes ist. Die Worte „Ich bin“ in diesem Satz drücken die Überzeitlichkeit, ja Ewigkeit seines Wesens aus. Deswegen übersetzt die NWÜ hier nicht wortgetreu, sondern „[…] bin ich gewesen.“
Die KIT gibt korrekt wieder: „I am.“ („Ich bin.“) Zur Rechtfertigung der Textänderung gibt es in der Studienausgabe einen umfangreichen Appendix. Dort wird zuerst auf Übersetzungen ins Syrische, Georgische und Äthiopische und anschließend auf einige nicht texttreue Ausgaben des Neuen Testaments „in der Sprache der Gegenwart“ verwiesen, die ähnlich wie die NWÜ übersetzt haben. Unter Berufung auf die Grammatiken von Winer (1867) und Moulton und Turner (1963) wird erklärt, dass hier eine Handlung vorliege, die vor Abraham begann, aber noch andauere. Als Beispiele dieser Syntax werden Lukas 2,48; 13,7; 15,29; Johannes 5,6; 14,9; 15,27; Apostelgeschichte 15,21; 2 Korinther 12,19 und 1 Johannes 3,8 angeführt.
Hierzu ist festzuhalten:
Die Frage, ob es sich in Johannes 8,58 um eine in der Vergangenheit begonnene Handlung handelt, die in der Gegenwart noch andauert (kurz PPA für „Present of past action still in progress“) handelt, ist zumindest umstritten. Viele Fachleute denken nicht so.19 Im Normalfall eines PPA würde der Adverbialsatz20 die Zeitdauer der Aktion des Verbs ausdrücken („Seit Johannes getauft hat, bin ich bei euch.“) In diesem Fall weist die Zeitbestimmung auf einen Zeitpunkt hin an dem die durch das Verb ausgedrückte „Handlung“ begonnen hat. In Johannes 8,58 aber weist der Adverbialsatz auf eine Zeit hin, vor welcher die „Handlung“ liegt.21 Johannes 8,58 erinnert eher an die Formulierung von Psalm 90,2:
Ehe selbst die Berge geboren wurden Oder du darangingst, wie mit Geburtswehen die Erde und das ertragfähige Land hervorzubringen, Ja von unabsehbarer Zeit bis auf unabsehbare Zeit bist du Gott. (NWÜ)
Der Septuagintatext lautet (wie im Deutschen, auch in der NWÜ) „du bist“. Der Präsens des Wortes „sein“ drückt hier die Ewigkeit aus. Die Parallele zwischen „Ehe Abraham ins Dasein kam […]“ und „Ehe selbst die Berge geboren wurden […]“ ist auffällig.
Es ist auch zu beachten, dass wir im selben Kapitel (Johannes 8) in den Versen 24 und 28 die Formulierung ego eimi („ich bin“) im Munde Jesu finden:
Daher sagte ich euch, dass ihr in euren Sünden sterben werdet; denn wenn ihr nicht glauben werdet, dass ich (es) bin, so werdet ihr in euren Sünden sterben. (Johannes 8,24)
Da sprach Jesus zu ihnen: Wenn ihr den Sohn des Menschen erhöht haben werdet, dann werdet ihr erkennen, dass ich (es) bin und dass ich nichts von mir selbst tue, sondern wie der Vater mich gelehrt hat, das rede ich. (Johannes 8,28)
Das Wörtchen „es“ findet sich nicht im griechischen Text. Wörtlich steht hier: „[…] dass ich bin […]“ An dem Glauben, dass Jesus „ist“ hängt sehr viel. Wer das nicht glaubt, wird in seinen Sünden sterben. Es geht hier also nicht allein um die Erkenntnis, dass Jesus existiert. Das wäre rein historisches Wissen. Diese beiden Verse können uns helfen, zu verstehen, dass Jesus mehr sagen wollte, als dass er existierte.
Wir dürfen auch davon ausgehen, dass die griechischen „Kirchenväter“ ein grammatikalisch korrektes Verständnis ihrer Muttersprache hatten. Johannes Chrysostomos betont in seiner 55. Homilie über das Johannesevangelium22, dass Jesus „Ich bin“ sagte und nicht „Ich war“. Er hat in Johannes 8,58 kein PPA gesehen, sondern eine Aussage, die Jesus in Parallele zum Vater stellt.
Auch die frühen Übersetzungen des Neuen Testament haben die Aussage Jesu im Präsens wiedergegeben. Die alten syrischen Texte bieten die Version ana itj, was dem griechischen Präsens entspricht. Nur eine Handschrift aus dem 12. Jahrhundert hat eine Version, die dem griechischen Imperfekt entspricht. Auch die lateinischen Übersetzungen (sowohl Vetus Latina als auch Vulgata) und die koptische Übersetzung übersetzen mit „Ich bin“. Selbst die vom arianischen23 Bischof Wulfila erstellte gotische Bibel gibt den griechischen Text mit „ich bin“ (im ik)24 wieder. Wenn das Griechische die Wiedergabe mit „ich war“ erlaubt hätte, hätte Wulfila wohl die seiner arianischen Lehre entsprechende Formulierung gewählt. Bei der Übersetzung ins Georgische ist die Situation auch nicht so einfach, wie es die Zeugen Jehovas ausdrücken. Zwei von drei Codizes übersetzen mit „ich bin“ (Codex Opizae und Codex Tbet‘), einer (Codex Adysh) mit „ich bin gewesen.“
Leider ist es für uns nicht möglich, den genauen aramäischen oder hebräischen Wortlaut dieser Worte Jesu zu wissen, da Johannes sie auf Griechisch überliefert hat.25 Wir können aber aus der Reaktion der jüdischen Gegner Jesu sehen, wie diese Jesu Worte verstanden haben. Sie sahen in diesen Worten offensichtlich eine Gotteslästerung und drückten ihre Empörung darüber durch das Androhen der Steinigung aus (Johannes 8,59).
Johannes hat durch den Heiligen Geist erkannt, dass Jesus hier nicht nur sagen wollte, dass er bereits vor Abraham gewesen ist, sondern, dass er IST. Er steht in seinem göttlichen Wesen über der Zeit. Diese klare Aussage Jesu ist in der NWÜ nicht mehr zu finden.
5.5 Hat der Sohn alles oder „alle anderen Dinge“ erschaffen?
Kolosser 1,15–17:
NWÜ: Er ist das Bild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene aller Schöpfung; denn durch ihn sind alle [anderen] Dinge in den Himmeln und auf der Erde, die sichtbaren und die unsichtbaren, erschaffen worden, es seien Throne oder Herrschaften oder Regierungen oder Gewalten. Alle [anderen] Dinge sind durch ihn und für ihn erschaffen worden. Auch ist er vor allen [anderen] Dingen, und durch ihn sind alle [anderen] Dinge gemacht worden, um zu bestehen,
KIT:
ELB: Er ist das Bild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene aller Schöpfung. Denn in ihm ist alles in den Himmeln und auf der Erde geschaffen worden, das Sichtbare und das Unsichtbare, es seien Throne oder Herrschaften oder Gewalten oder Mächte: Alles ist durch ihn und zu ihm hin geschaffen; und er ist vor allem, und alles besteht durch ihn.
Die NWÜ hat hier viermal in eckigen Klammern26 das Wort „andere“ eingefügt. Dadurch soll der Eindruck erweckt werden, dass Jesus auch einer der Geschaffenen ist. Zuerst habe Jehova Jesus (der mit dem Erzengel Michael gleichgesetzt wird) erschaffen, anschließend durch ihn alle anderen Dinge. Erfreulicherweise ist die NWÜ doch nicht so konsequent, um in anderen Stellen, die vom Schaffen des Sohnes sprechen, diese Ergänzung einzufügen. So bleiben folgende Stellen noch eindeutig. Wir zitieren hier nur die NWÜ:
Johannes 1,3: Alle Dinge kamen durch ihn ins Dasein, und ohne ihn kam auch nicht e i n Ding ins Dasein.
1 Korinther 8,6: so gibt es für uns tatsächlich e i n e n GOTT, den Vater, aus dem alle Dinge sind und wir für ihn; und es gibt e i n e n Herrn, Jesus Christus, durch den alle Dinge sind und wir durch ihn.
Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch die Aussage von Jesaja 44,24, dass die Schöpfung allein Gottes Werk ist, ohne die Assistenz von irgendjemand anderem:
Dies ist, was Jehova gesagt hat, dein Rückkäufer und dein Bildner vom Mutterleib an: „Ich, Jehova, tue alles, indem ich allein die Himmel ausspanne, die Erde ausbreite. Wer war bei mir? (NWÜ)
Gott allein ist der Schöpfer. Wenn Johannes und Paulus bezeugen, dass die Welt durch den Sohn Gottes geschaffen wurde, dann kann man das im Lichte von Jesaja 44,24 nur so verstehen, dass der Sohn Gottes Gott ist. Außer Gott war niemand anderer bei ihm!
Zur Rechtfertigung des in Kolosser 1,16 eingefügten Wortes „andere“ verweist die NWÜ in einer Anmerkung auf eine parallele Formulierung in Lukas 11,41–42:
NWÜ: Gebt jedoch als Gaben der Barmherzigkeit die Dinge, die darin sind, und siehe, alle [anderen] Dinge an euch sind rein. Wehe aber euch, ihr Pharisäer, denn ihr gebt den Zehnten von der Minze und der Raute und von jedem [anderen] Gartengewächs, übergeht aber das Recht und die Liebe Gottes! Diese Dinge wart ihr zu tun verpflichtet, doch jene anderen Dinge solltet ihr nicht unterlassen.
KIT:
ELB: Gebt jedoch als Almosen, was darin ist, und siehe, alles ist euch rein. Aber wehe euch Pharisäern! Denn ihr verzehntet die Minze und die Raute und alles Kraut und übergeht das Gericht und die Liebe Gottes; diese Dinge hättet ihr tun und jene nicht lassen sollen.
An dieser Stelle ist es nicht notwendig, das Wort „alles“ durch den Zusatz „andere“ zu ergänzen. Denn auch die „Dinge, die darin sind“ werden durch das Almosengeben gereinigt. Um die Sache zu verkomplizieren, verändert die NWÜ „Alles ist euch rein“ in: „Alle anderen Dinge an euch sind rein“. Ein Blick auf die KIT offenbart diese Manipulation. Im Interlineartext wird „to you“ („für euch“) übersetzt. Im Text am Rand steht: „about you“ („über euch“ — in der deutschen Version mit „an euch“ wiedergegeben). Es ist auch kein Problem, die Minze und die Raute in „alles Kraut“ einzuschließen. Der Unterschied zwischen Lukas 11 und Kolosser 1 besteht darin, dass im Kolosserbrief zuerst jemand da ist, durch den etwas an allem geschieht, nämlich die Schöpfung, während in Lukas 11 die vorher und nachher genannten Dinge auf derselben Ebene liegen.
In diesem Zusammenhang wollen wir auch auf den Ausdruck „Erstgeborener aller Schöpfung“ in Kolosser 1,15 eingehen. Zeugen Jehovas verstehen diesen Ausdruck so, dass Jesus das erste Geschöpf Gottes sei, durch das Jehova dann alles andere geschaffen habe. Das Problem an dieser Interpretation ist, dass Jesus sonst nie als Geschöpf Gottes bezeichnet wird. Er ist das Wort Gottes, der Sohn Gottes. Wir haben schon unter Punkt 5.3 auf den wesentlichen Unterschied zwischen „zeugen“ und „schaffen“ hingewiesen. Dieser Unterschied ist auch beim Verständnis von Kolosser 1,15 zu berücksichtigen. Als Erstgeborener ist er kein Teil der Schöpfung. Der griechische Genitiv erlaubt auch die Übersetzung „der Erstgeborene vor aller Schöpfung“, wie wir sie in der Lutherbibel finden oder „der Erstgeborene, der über aller Schöpfung ist“ (Schlachter 2000).27 Dieses Verständnis, dass der Sohn vor oder über aller Schöpfung steht, wird durch die Verse 16 und 17, denen zufolge alles in ihm geschaffen wurde, bestätigt.
5.6 Ist Gott der Thron des Sohnes?
Hebräer 1,8:
NWÜ: Aber mit Bezug auf den Sohn: „Gott ist dein Thron für immer und ewig, und [das] Zepter deines Königreiches ist das Zepter der Geradheit. […]
KIT:
ELB: von dem Sohn aber: „Dein Thron, Gott, ist von Ewigkeit zu Ewigkeit, und das Zepter der Aufrichtigkeit ist Zepter deines Reiches; […]
Wäre Gott der Thron des Sohnes, dann würde das bedeuten, dass der Sohn größer ist als Gott, da ja der auf dem Thron Sitzende bedeutender ist als der Thron. Im Griechischen steht hier der Nominativ, der aber im Bibelgriechisch auch für den Vokativ28 stehen kann, wie es etwa auch in Hebräer 10,7, der Fall ist, wo auch die NWÜ als Anrede übersetzt.
Es scheint hier den Übersetzern so wichtig gewesen zu sein, dass Jesus nicht als Gott angesprochen wird, dass sie zu einer Formulierung Zuflucht genommen haben, die logisch durchdacht, sogar bedeuten würde, dass der Sohn größer ist als Gott, was natürlich nicht sein kann.
6 Die „Wiederherstellung“ des Namens Gottes
Da die meisten modernen Übersetzungen den alttestamentlichen Gottesnamen יהוה (JHWH) mit „Herr“ (in vielen Übersetzungen wie Luther oder Elberfelder zur Unterscheidung von den „Herr“ bedeutenden hebräischen Wörtern adon oder adonaj29 mit Großbuchstaben „HERR“ wiedergegeben), scheint die Forderung berechtigt, auch in Übersetzungen den ursprünglichen Gottesnamen zu verwenden. So finden wir auch in der Erstausgabe der Jerusalemer Bibel im Alten Testament den alttestamentlichen Gottesnamen mit „Jahwe“ wiedergegeben. Dagegen ist grundsätzlich auch nichts einzuwenden, auch wenn wir uns dessen bewusst sein müssen, dass jede Wiedergabe des Gottesnamens nur eine Rekonstruktion darstellt, und wir die tatsächliche Aussprache dieses Namens nie mit Sicherheit wissen werden.
Die Wiedergabe des Gottesnamens JHWH mit „HERR“ geht auf eine in den letzten Jahrhunderten vor Christus entstandene jüdische Tradition zurück und findet sich bereits in der seit dem 3. Jahrhundert v. Chr. entstandenen „Septuaginta“ genannten Übersetzung ins Griechische. Dort wird der Gottesname üblicherweise mit kyrios („Herr“) wiedergegeben. Dieser Praxis sind auch die inspirierten Schreiber des Neuen Testaments gefolgt.
Da die hebräische Schrift ursprünglich nur aus Konsonanten bestand, haben die Schreiber für den Namen Gottes nur die Konsonanten JHWH verwendet. Erst die Masoreten30 fügten im 8.–10. Jahrhundert n. Chr. die Vokalzeichen hinzu. Da aber zu dieser Zeit der Gottesname schon lange nicht mehr ausgesprochen wurde, und statt dessen meistens adonaj („Herr“) gesagt wurde, wurden die Konsonanten JHWH mit den Vokalen a/e — o — a von adonaj verbunden. Menschen, denen diese Tatsache nicht bewusst war, haben daraus das Kunstwort „Jehova(h)“ geformt.31 Aber auch die heute verbreitete Form „Jahwe(h)“ beruht nur auf einer Rekonstruktion.
Während die Wiedergabe des Gottesnamens in den heiligen Schriften Israels mit „Jahwe“ oder auch „Jehova“, wenn man sich der Grenzen bewusst ist, eine Möglichkeit darstellt, gibt es diese Möglichkeit für die Schriften des Neuen Bundes nicht, da uns kein einziges Manuskript vorliegt, das die Verwendung dieses Namens bezeugt. Es gibt wohl einige alte Fragmente der Septuaginta, die im griechischen Text das Tetragrammaton32 verwenden, und JHWH nicht mit kyrios wiedergeben. Die Existenz solcher Fragmente beweist aber nicht, dass die Septuaginta ursprünglich JHWH hatte, wo die heute erhaltenen Manuskripte kyrios schreiben.33 Wir können auch nicht wissen, wie die griechisch sprechenden Juden der damaligen Zeit den Namen Gottes ausgesprochen haben. Es ist durchaus möglich, dass einige zwar JHWH geschrieben, aber kyrios gesagt haben. Auf keinen Fall beweist die Existenz dieser Fragmente, dass die Autoren der Schriften des Neuen Testaments an den in der NWÜ angeführten Stellen nicht kyrios geschrieben hätten, sondern JHWH. Es hätte einer sehr umfangreichen nachträglichen Korrekturtätigkeit unter den Christen bedurft, um alle Handschriften entsprechend abzuändern.34 Es müssten auch in der frühchristlichen Literatur Spuren einer nachträglichen Änderung zu finden sein, da derartige Manipulationen nicht ohne Widerstand durchgeführt worden wären. Auch aus dem anschließend angeführten Beispiel aus Römer 10, in dem Paulus kyrios in einem Joelzitat auf Jesus bezogen hat, zeigt, dass der Septuagintatext, der Paulus vorlag, an der Stelle kyrios hatte und nicht JHWH.
Die Herausgeber der NWÜ berufen sich auf Übersetzungen der „Christlichen Griechischen Schriften“ ins Hebräische, die das Tetragrammaton JHWH verwendeten, und fügten diesen Namen an 237 Stellen in den Text des Neuen Testaments ein, meist dort, wo im Griechischen kyrios („Herr“) steht, an einigen wenigen Stellen auch anstelle des Griechischen theós („Gott“). Mittelalterliche bis neuzeitliche Übersetzungen ins Hebräische sind nun aber keine Textbasis für eine sich auf den Urtext berufende Übersetzung.
An manchen Stellen wird durch die Einführung des Namens „Jehova“ auch der Zusammenhang verschleiert und eine wichtige Lehraussage der Apostel verdeckt.
Als Beispiel sei Römer 10,9–13 angeführt:
NWÜ: Denn wenn du dieses ‘Wort in deinem eigenen Mund’, daß Jesus Herr ist, öffentlich verkündigst und in deinem Herzen Glauben übst, daß Gott ihn von den Toten auferweckt hat, wirst du gerettet werden. Denn mit dem Herzen übt man Glauben zur Gerechtigkeit, mit dem Mund aber legt man eine öffentliche Erklärung ab zur Rettung. Denn die Schrift sagt: „Keiner, der seinen Glauben auf ihn setzt, wird enttäuscht werden.“ Denn da ist kein Unterschied zwischen Jude und Grieche, denn da ist derselbe Herr über alle, der reich ist gegenüber allen, die ihn anrufen. Denn „jeder, der den Namen Jehovas anruft, wird gerettet werden“.
KIT:
ELB: dass, wenn du mit deinem Mund Jesus als Herrn bekennen und in deinem Herzen glauben wirst, dass Gott ihn aus den Toten auferweckt hat, du gerettet werden wirst. Denn mit dem Herzen wird geglaubt zur Gerechtigkeit, und mit dem Mund wird bekannt zum Heil. Denn die Schrift sagt: „Jeder, der an ihn glaubt, wird nicht zuschanden werden.“ Denn es ist kein Unterschied zwischen Jude und Grieche, denn er ist Herr über alle, und er ist reich für alle, die ihn anrufen; „denn jeder, der den Namen des Herrn anrufen wird, wird gerettet werden“.
In Vers 9 wird das Bekenntnis, dass Jesus der Herr sei, als Grundlage der Rettung angesehen. Als Begründung dazu führt Paulus in Vers 13 ein Zitat aus Joel an, dass jeder, der den Namen des Herrn anrufen werde, gerettet werden würde. Nun steht im hebräischen Text tatsächlich JHWH. Also ist es doch gerechtfertigt, dieses Zitat im Römerbrief auch mit JHWH wiederzugeben? Paulus zitiert hier aber nach der griechischen Übersetzung des Alten Testaments, der sogenannten Septuaginta, die JHWH mit kyrios wiedergegeben hat. Paulus verwendet dieses Zitat auch, um darauf hinzuweisen, dass Jesus dieser Herr ist, durch den wir gerettet werden. Wenn es Paulus nur darauf angekommen wäre, zu sagen, dass jeder, der JHWH anruft, gerettet wird, dann hätte er sich nicht so bemüht, den Juden Jesus als den Herrn zu verkündigen.
Indirekt sagt Paulus damit auch, dass Jesus JHWH ist. Diese Botschaft ist nun der Lehre der Wachtturm-Gesellschaft völlig entgegengesetzt. Durch die Verwendung zweier verschiedener Wörter (Vers 9: Herr; Vers 13: Jehova) zur Wiedergabe des griechischen Wortes kyrios wird diese Aussage von Paulus verschleiert.
1 Korinther 4,4–5:
NWÜ: Denn mir ist nichts bewußt, was gegen mich [spräche]. Doch dadurch werde ich nicht als gerecht befunden, der mich aber beurteilt, ist Jehova. Richtet somit nichts vor der gegebenen Zeit, bis der Herr kommt, der sowohl die verborgenen Dinge der Finsternis ans Licht bringen als auch die Ratschläge der Herzen offenbar machen wird, und dann wird jedem sein Lob von Gott zukommen.
KIT:
ELB: Denn ich bin mir keiner Schuld bewusst, aber dadurch bin ich nicht gerechtfertigt. Der mich aber beurteilt, ist der Herr. So verurteilt nichts vor der Zeit, bis der Herr kommt, der auch das Verborgene der Finsternis ans Licht bringen und die Absichten der Herzen offenbaren wird! Und dann wird jedem sein Lob werden von Gott.
Wenn aus Vers 5 ganz klar ist, dass der kommende Herr nur Jesus sein kann, warum wird dann im unmittelbaren Zusammenhang damit in Vers 4 kyrios mit „Jehova“ wiedergegeben?
1 Korinther 10,21:
NWÜ: Ihr könnt nicht den Becher Jehovas und den Becher der Dämọnen trinken; ihr könnt nicht am „Tisch Jehovas“ und am Tisch der Dämọnen teilhaben.
KIT:
ELB: Ihr könnt nicht des Herrn Kelch trinken und der Dämonen Kelch; ihr könnt nicht am Tisch des Herrn teilnehmen und am Tisch der Dämonen.
Im Zusammenhang geht es hier um das Herrenmahl. Paulus warnt, dass man als Christ nicht zugleich dem Herrn Jesus Christus durch Teilnahme am Herrenmahl und den Götzen durch Teilnahme an heidnischen Opfermahlzeiten dienen kann. Der Herr, an den der Kelch des Herrn und der Tisch des Herrn erinnern, ist der Herr Jesus Christus. Wir Christen bekennen, dass im Herrn Jesus Gott Mensch geworden ist, dass in dieser Weise der Herr Jesus auch JHWH ist. Aber das ist wohl nicht das, was die Übersetzer der NWÜ zum Ausdruck bringen wollen.
1 Thessalonicher 4,15:
NWÜ: Denn dies sagen wir euch durch Jehovas Wort, daß wir, die Lebenden, die bis zur Gegenwart35 des Herrn am Leben bleiben, denen keineswegs zuvorkommen werden, die [im Tod] entschlafen sind;
KIT:
ELB: Denn dies sagen wir euch in einem Wort des Herrn, dass wir, die Lebenden, die übrig bleiben bis zur Ankunft des Herrn, den Entschlafenen keineswegs zuvorkommen werden.
Hier wird innerhalb eines Verses das Wort kyrios einmal mit „Jehova“, einmal mit „Herr“ wiedergegeben. Worauf gründet diese Auswahl?
Apostelgeschichte 7,59–60:
NWÜ: Und sie fuhren fort, Stẹphanus zu steinigen, während er flehte36 und sprach: „Herr Jesus, nimm meinen Geist auf.“ Darauf beugte er seine Knie und rief mit lauter Stimme: „Jehova, rechne ihnen diese Sünde nicht zu!“ Und nachdem er dies gesagt hatte, entschlief er [im Tod].
KIT:
ELB: Und sie steinigten den Stephanus, der betete und sprach: Herr Jesus, nimm meinen Geist auf! Und niederkniend rief er mit lauter Stimme: Herr, rechne ihnen diese Sünde nicht zu! Und als er dies gesagt hatte, entschlief er.
Hier ruft Stephanus zweimal den Herrn (griechisch kyrios) an. Im ersten Fall ist eindeutig Jesus damit gemeint. Warum sollte dann im darauf folgenden Satz nicht Jesus gemeint sein? Es ist eine willkürliche und tendenziöse Wiedergabe, wenn in Vers 60 kyrios durch „Jehova“ ersetzt wird, obwohl in Vers 59 Jesus gemeint ist. Weiters ist hier durch das Faktum, dass Stephanus zu Jesus gebetet hat, die göttliche Natur Jesu klar bezeugt. Auch hier versucht die NWÜ, durch die Wiedergabe mit „flehte“ dieses Faktum abzuschwächen. Das griechische Wort epikaleo heißt nicht „flehen“, sondern in Zusammenhängen wie diesem „anrufen“, wie es auch die NWÜ in 1 Korinther 1,2 korrekt wiedergibt:
[…] an die Versammlung Gottes, die in Korinth ist, an euch, die in Gemeinschaft mit Christus Jesus Geheiligten, zu Heiligen Berufenen, samt allen, die den Namen unseres Herrn Jesus Christus, ihres Herrn und des unseren, überall anrufen:
In der Apostelgeschichte setzt die NWÜ an zwei weiteren Stellen „Jehova“, wo aus dem Zusammenhang klar hervorgeht, dass mit dem kyrios Jesus gemeint ist. Wir erwähnen diese beiden Stellen nur kurz: Apostelgeschichte 16,15, wo die gottesfürchtige, also bereits zuvor an den Gott Israels glaubende Lydia zum Glauben an den Herrn Jesus kam, und Apostelgeschichte 18,25, wo es heißt, dass der Jude Apollos über den Weg des Herrn (Jesus) mündlich unterwiesen worden war. Hier ist die NWÜ offensichtlich falsch.
Was meinte Jesus mit „Deinem Namen“?
Jehovas Zeugen verwenden einige Stellen aus dem Munde Jesu, um zu zeigen, dass es für Jesus ein oder das zentrale Anliegen war, den Namen „Jehova“ zu verkünden. Wir wollen uns deshalb auch mit diesen Stellen beschäftigen.
Ihr sollt daher auf folgende Weise beten: ‚Unser Vater in den Himmeln, dein Name werde geheiligt. (Matthäus 6,9 NWÜ)
Wodurch halten wir den Namen Gottes heilig? Dadurch, dass wir ihn aussprechen oder durch ein Leben nach seinem Willen, in dem wir der Sünde keinen Raum geben und Gottes Wille auch unser Wille ist? Im nächsten Vers lehrt uns Jesus ja auch, so zu beten:
Dein Wille geschehe wie im Himmel so auch auf der Erde. (Matthäus 6,10b NWÜ)
Jeremia warnte vor Propheten, die im Namen JHWHs geweissagt haben, aber gelogen haben:
Und der HERR sprach zu mir: Die Propheten weissagen Lüge in meinem Namen. Ich habe sie nicht gesandt und sie nicht beauftragt — auch nicht zu ihnen geredet. Sie weissagen euch Lügenvision, Wahrsagerei, Nichtiges und den Trug ihres Herzens. (Jeremia 14,14)
Die Verwendung des Namens Gottes war offensichtlich nicht das Problem dieser „Propheten“, sondern ihre lügenhaften Worte, die auch mit einem Leben des Ungehorsams verbunden waren.
Weitere von Jehovas Zeugen angeführte Stellen:
Jetzt ist meine Seele beunruhigt, und was soll ich sagen? Vater, rette mich aus dieser Stunde. Doch deswegen bin ich in diese Stunde gekommen. Vater, verherrliche deinen Namen.“ Darum kam eine Stimme vom Himmel: „Ich habe [ihn] verherrlicht und will [ihn] wieder verherrlichen.“ (Johannes 12,27–28 NWÜ)
Jesus wollte in allem, was er tat, den Namen seines Vaters verherrlichen. Er tat es dadurch, dass er Gott bis in den Tod hinein treu blieb. Jesu Liebe und Treue, seine vollkommene Heiligkeit auch in der schwersten Anfechtung hat dem Namen, d. h., der Person des Vaters die Ehre gegeben. So hat er ihn verherrlicht, ohne den Namen JHWH auszusprechen. In der Liebe Jesu wurde die Liebe des Vaters zu uns sichtbar.
Ich habe deinen Namen den Menschen offenbar gemacht, die du mir aus der Welt gegeben hast. Sie waren dein, und du hast sie mir gegeben, und sie haben dein Wort gehalten. (Johannes 17,6 NWÜ)
Und ich habe ihnen deinen Namen kundgetan und werde ihn kundtun, damit die Liebe, womit du mich geliebt hast, in ihnen sei und ich in ihnen. (Johannes 17,26)
Wie hat Jesus den Namen seines Vaters offenbar gemacht oder kundgetan? Dadurch, dass er seine Jünger gelehrt hat, ihn möglichst oft auszusprechen? Es ist offensichtlich, dass gerade im Johannesevangelium, in dem wir die tiefsten Worte Jesu finden, wir auch in der NWÜ die wenigsten Erwähnungen von „Jehova“ finden, nur fünfmal und nur in Zitaten aus dem Alten Testament. Das Anliegen Jesu war offensichtlich nicht, den Namen „Jehova“ zu proklamieren, der mit einer anderen Aussprache den Juden ohnehin bekannt war. Jesus hat den Namen seines Vaters durch seine ganze Person kundgetan. Sein ganzes Leben war eine einzige Offenbarung des Wesens des Vaters:
Jesus sprach zu ihm: „So lange Zeit bin ich bei euch gewesen, und dennoch hast du mich nicht kennengelernt, Philịppus? Wer mich gesehen hat, hat [auch] den Vater gesehen. Wie kommt es, daß du sagst: ‚Zeige uns den Vater.‘?“ (Johannes 14,9 NWÜ)
Kein Mensch hat GOTT jemals gesehen; der einziggezeugte Gott, der am Busen[platz] beim Vater ist, der hat über ihn Aufschluß gegeben. (Johannes 1,18 NWÜ)
Jesus war in seinem ganzen Wesen die Offenbarung des Vaters. In Jesu Wesen können wir Gottes Wesen kennenlernen. Dadurch wird in denen, die ihm folgen die Liebe Gottes, die in Jesus tiefste Wirklichkeit wurde, zur lebensbestimmenden Realität. Dadurch wird der Name Gottes, der für seine Person steht, geheiligt und verherrlicht.
Dass es nicht das Ziel Jesu war, sich dafür einzusetzen, dass die Menschen den Namen Gottes aussprechen, zeigt auch die Tatsache, dass er auf die zu seiner Zeit übliche Scheu der Juden, den Namen Gottes auszusprechen, Rücksicht genommen hat:
[…] Wieder begann der Hohepriester ihn zu befragen und sagte zu ihm: „Bist du der Christus, der Sohn des Gesegneten?“ Da sprach Jesus: „Ich bin es; und ihr werdet den Menschensohn zur Rechten der Macht sitzen und mit den Wolken des Himmels kommen sehen.“ (Markus 14,61–62 NWÜ)
Der Hohepriester verwendete statt „Gott“ oder „JHWH“ das Wort „Gesegneter“. In seiner Antwort sprach auch Jesus nicht von „JHWH“, sondern er sprach von der „Macht“. Jesus hatte gewiss kein pantheistisches Gottesverständnis. Aber es war für ihn kein Problem, aus Rücksicht auf die Juden eine Umschreibung statt des Namens Gottes zu verwenden.
Ein weiteres Beispiel für die Umschreibung des Namens Gottes finden wir im Gleichnis vom verlorenen Sohn, in dem der reumütige Sohn zu seinem Vater spricht:
Vater, ich habe gegen den Himmel und gegen dich gesündigt. […] (Lukas 15,21 NWÜ)
Mit „gegen den Himmel“ ist ganz offensichtlich „gegen Gott“ gemeint.
Das Kundtun des Namens Gottes hatte für Jesus offensichtlich nichts mit dem Tetragrammaton zu tun. Jesus hat seine Jünger „in seinem (= Gottes) Namen bewahrt“ (Johannes 17,11), dadurch, dass er sie zu einer Beziehung zum Vater geführt hat. In dieser Beziehung waren sie durch Gottes Liebe bewahrt.
Geht nun hin und macht alle Nationen zu Jüngern, und tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, […] (Matthäus 28,19)
Es heißt hier nicht: „auf die Namen […]“ in der Mehrzahl, sondern „auf den Namen […]“. Der Vater, der Sohn und der Heilige Geist haben teil am selben Namen. Die Taufe auf (wörtlich: „in, hinein“) den Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes drückt aus, dass jeder, der umkehrt und sich als Zeichen der Umkehr taufen lässt, in eine Beziehung zu Gott hineingeführt wird, die sein Leben prägt. Der „Name“ steht hier für das Wesen Gottes, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.
7 Andere Themenkreise
7.1 Zur Unsterblichkeit der Seele
Die Zeugen Jehovas lehren:
Nach dem Tod lebt absolut nichts von uns weiter.
Wir haben keine unsterbliche Seele und keinen unsterblichen Geist.37
Wenn vom Menschen absolut nichts weiterlebt, dann kann es keine Auferstehung geben. Nach der Lehre der Wachtturm-Gesellschaft bewahrt Gott das Wissen um den Menschen in seinem Gedächtnis und kann in so auch wieder auferwecken. Wenn es aber keinen bleibenden Zusammenhang zwischen dem verstorbenen und dem auferstandenen Menschen gibt, können wir auch nicht sagen, dass Gott diesen Menschen auferweckt. Dann schafft Gott einen Menschen neu, der Wesensmerkmale des früheren Menschen trägt, der aber nicht derselbe Mensch ist.
Auf dem Hintergrund dieser Lehre wollen wir uns folgende Stellen aus der NWÜ näher anschauen:
Lukas 23,43:
NWÜ: Und er sprach zu ihm: „Wahrlich, ich sage dir heute: Du wirst mit mir im Paradies sein.“
ELB: Und er sprach zu ihm: Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradies sein.
Es geht um die Bedeutung des Wortes „heute“. Wollte Jesus dem mit ihm gekreuzigten Aufständischen sagen, dass dieser noch am selben Tag mit Jesus im Paradies sein werde, oder wollte Jesus betonen, dass er am Tage seiner Kreuzigung dem Mitgekreuzigten das Paradies verheißt, mit dem er gemeinsam mit Jesus sein werde?38 Wenn es kein Weiterleben nach dem Tod gibt, kann es doch nicht sein, dass jemand schon vor dem Tag der Auferweckung, noch am Tage seines Todes, schon im Paradies ist. Deswegen blieb den Übersetzern der NWÜ gar keine andere Wahl als so zu übersetzen, wie sie es taten.
Die ältesten griechischen Handschriften kennen keine Satzzeichen. Daher ist die Setzung von Satzzeichen eine Frage der Interpretation. Die Formulierung „Wahrlich, ich sage dir/euch […]„39 kommt in den Evangelien im Munde Jesu überaus häufig vor. Kein einziges Mal allerdings mit einer Angabe über den Zeitpunkt des Gesagten. Es legt sich daher nahe, so zu übersetzen, wie es die Elberfelder Bibel und praktisch alle anderen Übersetzungen auch tun.
Johannes 11,25:
NWÜ: Jesus sprach zu ihr: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer Glauben an mich ausübt, wird zum Leben kommen, auch wenn er stirbt; […]
KIT:
ELB: Jesus sprach zu ihr: Ich bin die Auferstehung und das Leben; wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er gestorben ist; […]
Auch die KIT schreibt klar: „he will live“ („er wird leben“). Jesus spricht davon, dass der an ihn Glaubende nach seinem Tode lebt, nicht, dass er irgendwann zum Leben kommen wird. Das wird auch durch Vers 26 bestätigt: […] und jeder, der da lebt und an mich glaubt, wird nicht sterben in Ewigkeit. (ELB)
Matthäus 27,52–53:
NWÜ: Und die Gedächtnisgrüfte wurden geöffnet, und viele Leiber der entschlafenen Heiligen wurden aufgerichtet (und Leute, die nach seiner Auferweckung von den Gedächtnisgrüften herkamen, gingen in die heilige Stadt), und sie wurden vielen sichtbar.
KIT:
ELB: und die Grüfte öffneten sich, und viele Leiber der entschlafenen Heiligen wurden auferweckt, und sie gingen nach seiner Auferweckung aus den Grüften und gingen in die heilige Stadt und erschienen vielen.
Wurden die Leiber der entschlafenen Heiligen auferweckt? Oder gab es ein interessantes Phänomen, bei dem in Folge eines Erdbebens Leichen aufgerichtet wurden, die dann von den Menschen, die an den Gräbern vorbeigingen, gesehen wurden. Das griechische Wort egeiro hat im Zusammenhang mit Bauwerken auch die Bedeutung „aufrichten“, doch wenn es um verstorbene Menschen geht, hat es die Bedeutung „auferwecken“. Wollte Matthäus einfach ein gruseliges Detail im zeitgleichen Zusammenhang mit dem Kreuzestod Jesu schildern, oder wollte er auf die heilsgeschichtliche Bedeutung der Erlösungstat Jesu hinweisen, durch die auch die Heiligen des Alten Bundes zur vollen Erlösung und zum Leben kommen?
7.2 Zur Frage der Hölle
Die Zeugen Jehovas lehnen die Existenz einer ewigen Hölle ab. Das Thema ist gewiss nicht einfach. Viele Menschen verbinden die Lehre mit einem Gottesbild, dem zufolge Gott den Menschen wie ein Folterknecht durch alle Ewigkeit Qualen zufügt. Dieses Gottesbild wird berechtigterweise abgelehnt. Aber heißt das, dass auch die Lehre von der Hölle abgelehnt werden muss, wie es Jehovas Zeugen tun?
Manche Bilder der Bibel wurden oft in diese falsche Richtung interpretiert. Die Hölle ist aber keine Folterkammer, in der Menschen auf dem Rost gebraten werden, sondern ist die ewige Finsternis, die sich die Menschen, die Gott ablehnen, selbst bereitet haben. Wer das Licht verwirft, dem bleibt nur die Finsternis. Das Feuer der Hölle ist das Feuer, das im Menschen brennt, wenn er mit seiner eigenen Schuld und Bosheit konfrontiert wird, die er nicht bereut hat und die er auch nicht sehen will, der er aber in aller Ewigkeit nicht ausweichen kann. Diese Qualen der Hölle sind eine Folge der freien Entscheidung des Menschen gegen Gott, eine Konsequenz seiner Bosheit. Auf diesem Hintergrund sind die Stellen, in denen die Bibel über die Hölle spricht, zu verstehen.
Doch nun zu einigen Stellen der NWÜ zu diesem Thema:
Matthäus 25,46:
NWÜ: Und diese werden in die ewige Abschneidung weggehen, die Gerechten aber in das ewige Leben.“
KIT:
ELB: Und diese werden hingehen zur ewigen Strafe, die Gerechten aber in das ewige Leben.
Die Fußnote der NWÜ erklärt: „Beschneidung (Stutzung)“. Gr.: kólasin. Die englische Ausgabe von 2013 ergänzt in deren Fußnote noch, dass es um die Abschneidung vom Leben geht (also um die ewige Vernichtung).
Die NWÜ will mit ihrer Wiedergabe „Abschneidung“ zeigen, dass es keine ewige Strafe in dem Sinne gibt, dass jemand als ewig existierende Person die Folgen seiner Sünde zu tragen hat, sondern dass es hier um eine ewige Vernichtung geht.
Nach Bauers Wörterbuch hat kólasis die Bedeutung „Züchtigung, Strafe“.40 Eine eventuelle Bedeutung „Abschneidung“ wird nicht einmal andeutungsweise erwähnt. Zeugen Jehovas verweisen darauf, dass das Verb kolázo im klassischen Griechisch „beschneiden“ bedeute, was nicht bestritten werden kann. Allerdings kann man einerseits die tatsächliche Bedeutung eines Wortes nicht nur auf etymologischem Wege erfassen, andererseits hat auch das Verb kolázo in neutestamentlicher Zeit die Bedeutung „strafen, züchtigen“. Auch dieses Verb hat nie die Bedeutung „abschneiden“ im Sinne einer ewigen Vernichtung. Der Zusammenhang mit Vers 41 zeigt auch, dass es sich beim Feuer nicht um ein physisches Feuer zur Vernichtung der Materie handelt:
Dann wird er seinerseits zu denen zu seiner Linken sagen: ‚Geht weg von mir, ihr, die ihr verflucht worden seid, in das ewige Feuer, das für den Teufel und seine Engel bereitet ist. (NWÜ)
Da Geistwesen wie der Teufel von einem materiellen Feuer keinen Schaden erleiden werden, kann hier nur die Qual der Gottesferne und der Konfrontation mit der eigenen Bosheit gemeint sein.
2 Petrus 2,9:
NWÜ: Jehova weiß Menschen von Gottergebenheit aus der Prüfung zu befreien, Ungerechte aber für den Tag des Gerichts zu ihrer Abschneidung aufzubehalten,
KIT:
ELB: der Herr weiß die Gottseligen aus der Versuchung zu retten, die Ungerechten aber aufzubewahren für den Tag des Gerichts, wenn sie bestraft werden;
Petrus führt hier nicht aus, welcher Art diese Strafe ist. Die Übersetzung von kolázo mit „strafen“ wäre insofern für die Zeugen Jehovas kein Problem. Nur um der inneren Logik ihrer Übersetzung willen müssen sie auch hier das Wort „Abschneidung“ einführen.
In Apostelgeschichte 4,21 bleibt allerdings auch der NWÜ keine andere Wahl, als mit „bestrafen“ zu übersetzen, der Zusammenhang erlaubt hier die Wiedergabe mit „abschneiden“ einfach nicht: Als man ihnen dann weiter gedroht hatte, ließ man sie frei, weil man keinen Grund fand, aus dem man sie hätte bestrafen können, […]
Matthäus 24,50–51:NWÜ: […] wird der Herr jenes Sklaven an einem Tag kommen, an dem er es nicht erwartet, und in einer Stunde, die er nicht kennt, und wird ihn mit der größten Strenge bestrafen und wird ihm sein Teil mit den Heuchlern zuweisen. Dort wird [sein] Weinen und [sein] Zähneknirschen sein.
KIT:
ELB: […] so wird der Herr jenes Knechtes kommen an einem Tag, an dem er es nicht erwartet, und in einer Stunde, die er nicht weiß, und wird ihn entzweischneiden und ihm sein Teil festsetzen bei den Heuchlern; da wird das Weinen und das Zähneknirschen sein.
Das griechische Wort dichotomeo bedeutet laut Bauer41 „mitten entzweischneiden“, nicht aber „mit der größten Strenge bestrafen“. Das Wort hat hier natürlich nur eine bildliche Bedeutung. Das „Weinen und Zähneknirschen“ weist auch darauf hin, dass die Strafe nicht die Vernichtung ist. Vernichtete können nicht mehr weinen.
Offenbarung 19,20:
NWÜ: Und das wilde Tier wurde gefaßt und mit ihm der falsche Prophet, der vor ihm die Zeichen tat, durch die er die irreführte, welche das Kennzeichen des wilden Tieres empfingen, und die, die seinem Bild Anbetung darbringen. Noch lebendig wurden sie beide in den Feuersee geschleudert, der mit Schwefel brennt.
KIT:
ELB: Und es wurde ergriffen das Tier und der falsche Prophet — der mit ihm war und die Zeichen vor ihm tat, durch die er die verführte, die das Malzeichen des Tieres annahmen und sein Bild anbeteten -, lebendig wurden die zwei in den Feuersee geworfen, der mit Schwefel brennt.
Die NWÜ fügt vor dem Wort „lebendig“ noch ein „noch“ ein, um damit ihre Vernichtungstheorie zu stützen. Im Griechischen findet sich das Wort „noch“ nicht.
7.3 „Glauben“ oder „Glauben ausüben“?
Johannes 14,1:
NWÜ: „Euer Herz werde nicht beunruhigt. Übt Glauben aus an Gott, übt auch Glauben aus an mich. […]
KIT:
ELB: Euer Herz werde nicht bestürzt. Ihr glaubt an Gott, glaubt auch an mich!
Wir haben diese Stelle nur als ein Beispiel unter etlichen ausgewählt, an denen die NWÜ das griechische Wort pisteuo durch „Glauben ausüben“ wiedergibt. Nun ist es ohne Zweifel wichtig, nicht nur einen theoretischen Glauben zu haben, da der Glaube ohne Werke nutzlos42 ist (Jakobus 2,20). Aber „Glaube“ ist nicht nur das Ausüben von Vorschriften und Geboten. Glaube ist zuerst einmal Vertrauen. Ein glaubender Mensch vertraut Gott sein ganzes Leben an. In Johannes 14 wollte Jesus in dieser konkreten Situation die Jünger dazu ermuntern, ihm und dem Vater zu vertrauen. Auch wenn es äußerlich schien, als ob Jesus gescheitert wäre, sollten die Jünger in ihrem Vertrauen unerschütterlich bleiben. Die Formulierung „Glauben ausüben“ drückt das nicht aus.
Wenn Jesus in Lukas 8,50 zum Synagogenvorsteher, dessen Tochter gestorben war, sagt: Fürchte dich nicht, glaube nur! Und sie wird gerettet werden. (ELB), so ist das etwas anderes als: „Fürchte dich nicht, bekunde nur Glauben, und sie wird gerettet werden.“ (NWÜ). Es geht hier nicht um die Äußerungen des Synagogenvorstehers, sondern um seine Haltung Gott gegenüber.
Unser Glaube an Gott besteht zuerst einmal aus einer vertrauensvollen Beziehung. Aus dieser Beziehung heraus erwachsen dann auch die Werke. Ein „nicht ausgeübter“ Glaube ist ohnehin kein Glaube.
7.4 „Erkennen“ oder „Erkenntnis in sich aufnehmen“?
Johannes 17,3:
NWÜ: Dies bedeutet ewiges Leben, daß sie fortgesetzt Erkenntnis in sich aufnehmen über dich, den allein wahren Gott, und über den, den du ausgesandt hast, Jesus Christus.43
KIT:
ELB: Dies aber ist das ewige Leben, dass sie dich, den allein wahren Gott, und den du gesandt hast, Jesus Christus, erkennen.
Wie die Wachtturmgesellschaft das versteht, wird in einem Artikel im Wachtturm vom 1. Juni 2012 auf Seite 9 erklärt:
„Dies bedeutet ewiges Leben“
„Dies bedeutet ewiges Leben, dass sie fortgesetzt Erkenntnis in sich aufnehmen über dich, den allein wahren Gott, und über den, den du ausgesandt hast, Jesus Christus“ (JOHANNES 17:3)
WISSEN kann Leben retten. Die Mutter des 10 Monate alten Nouhou ist Gesundheitshelferin in einem Dorf im Niger. Als der Kleine krank wurde, wusste sie, was sie zu tun hatte. Sie bereitete eine Rehydrationslösung aus Zucker, Salz und sauberem Wasser vor und gab sie ihm zu trinken. Durch ihre „schnelle Reaktion und den Zugang zu medizinischer Versorgung vor Ort hatte ihr Kind die Krankheit bald überstanden“, hieß es in einem Bericht der UNICEF.
Auch Bibelwissen kann Leben retten. …
Bis hierher haben wir gesehen, dass die Bibel ein unvergleichliches Buch ist: Ihre Prophezeiungen sind zuverlässig, sie ist historisch und wissenschaftlich genau, in sich stimmig und ein gutes Handbuch fürs Leben. Das alles drückt ihr den Stempel der Einzigartigkeit auf. Wenn dieses Buch nun von sich behauptet, uns den Weg zu einem längeren Leben — ja zu ewigem Leben — zu zeigen, verdient es da nicht besondere Aufmerksamkeit?
Wir möchten Ihnen ans Herz legen, sich einmal genauer damit zu befassen, wie ein fundiertes Bibelwissen zu innerem Frieden und einer glücklichen Zukunft führen kann. Jehovas Zeugen zeigen Ihnen gern, wie man sich dieses Wissen aneignet.
In der Bibel geht es nicht nur um das Wissen. Es geht um eine Beziehung. Ewiges Leben besteht darin, dass wir den Vater und seinen ewigen Sohn kennen, eine tiefe ungestörte Beziehung zu Gott haben. Wir wissen um den Wert fundierter Bibelkenntnisse. Doch dieses Wissen allein, auch wenn wir es „fortwährend in uns aufnehmen“, ist nicht das ewige Leben. Das ist vielleicht eines der Hauptprobleme, das die Übersetzer der NWÜ hatten. Da ihnen diese tiefe Beziehung zu Gott fehlte, die in der Bibel durch das Wort „Erkenntnis“ ausgedrückt wird, konnte es ihnen nur mehr um äußerliches intellektuelles Wissen gehen, das man sich durch Studium aneignen kann.
7.5 „In“ oder „in Verbindung mit“?
Die griechische Präposition en wird von den meisten Übersetzern mit dem deutschen Äquivalent „in“ wiedergegeben. Dieses kurze griechische Wort hat einen großen Bedeutungsumfang und wird deshalb an manchen Stellen anders wiedergegeben. Wir wollen uns hier auf die besonders bei Johannes und Paulus häufig vorkommenden Wendungen wie „im Vater“, „im Sohn“, „in Christus“ beschränken. Die Übersetzer hatten eine Scheu, diese Wendungen so einfach wiederzugeben und haben versucht, das durch Umschreibungen wie „in Verbindung mit“ auszudrücken, was aber zu einer Verkürzung dessen führt, was Jesus oder Paulus sagen wollten. Wir werden uns auf wenige Beispiele beschränken.
Johannes 13,31:
NWÜ: Als er nun hinausgegangen war, sprach Jesus: „Jetzt ist der Menschensohn verherrlicht, und Gott ist in Verbindung mit ihm verherrlicht. […]
KIT:
ELB: Als er nun hinausgegangen war, spricht Jesus: Jetzt ist der Sohn des Menschen verherrlicht, und Gott ist verherrlicht in ihm.
Vielleicht war es nur als eine „erklärende Übersetzung“ gemeint. Es ist aber ein großer Unterschied, ob Gott „in Verbindung mit“ Jesus verherrlicht ist, oder „in“ ihm. Jesus wollte nicht nur sagen, dass Gott irgendwie mit ihm verbunden ist. Jesus war mit seinem ganzen Sein IM Vater begründet, und alles, was er tat, war IN Gott getan. Hier drückt dieses „in“ eine Tiefe der Beziehung aus, die durch die Formulierung der NWÜ verflacht.
Johannes 14,11:
NWÜ: Glaubt mir, daß ich in Gemeinschaft mit dem Vater bin und der Vater in Gemeinschaft mit mir ist; sonst glaubt um der Werke selbst willen.
KIT:
ELB: Glaubt mir, dass ich in dem Vater bin und der Vater in mir ist; wenn aber nicht, so glaubt um der Werke selbst willen!
„Im Vater“ sein ist mehr als nur „in Gemeinschaft mit ihm“ sein!
Johannes 14,20:
NWÜ: An jenem Tag werdet ihr erkennen, daß ich in Gemeinschaft bin mit meinem Vater und ihr in Gemeinschaft seid mit mir und ich in Gemeinschaft bin mit euch.
KIT:
ELB: An jenem Tag werdet ihr erkennen, dass ich in meinem Vater bin und ihr in mir und ich in euch.
Auch die Tiefe der Gemeinschaft Jesu mit uns wird durch das Wort „in“ viel stärker ausgedrückt als mit der Formulierung „in Gemeinschaft mit“. Jesus ist dem Christen ganz nahe, so nahe, dass wir sagen können, dass er in uns ist.
Galater 2,20:
NWÜ: […] Nicht mehr ich bin es, der lebt, sondern Christus ist es, der in Gemeinschaft mit mir lebt. Tatsächlich lebe ich das Leben, das ich jetzt im Fleische lebe, durch den Glauben gegenüber dem Sohn Gottes, der mich geliebt und sich selbst für mich dahingegeben hat.
KIT:
ELB: […] und nicht mehr lebe ich, sondern Christus lebt in mir; was ich aber jetzt im Fleisch lebe, lebe ich im Glauben, und zwar im Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich selbst für mich hingegeben hat.
Liegt es vielleicht daran, dass Zeugen Jehovas diese tiefe direkte Beziehung zu Jesus fehlt, dass sie zu dieser verflachenden Wiedergabe kommen?
7.6 „Parousía“ – Kommen oder Gegenwart?
Seit den Anfängen von Charles Taze Russell, dem Gründer der Bewegung der Bibelforscher, war für ihn die Wiedergabe des griechischen Wortes parousía mit „Gegenwart“ ein wichtiger Grundstein seiner Lehre. Schon in seiner ersten Schrift, The Object and Manner of Our Lord‚s Return im Jahre 1877, war das eine wichtige Erkenntnis (ab S. 51). Dieser Punkt blieb bis heute für die Wachtturmgesellschaft von grundlegender Bedeutung wie Appendix 5B aus der Studienausgabe der NWÜ und der Artikel „Gegenwart“ in Einsichten über die Heilige Schrift, S.832–836 zeigen. Der Unterschied zwischen Russell und den Zeugen Jehovas44 besteht nur darin, dass Russell davon überzeugt war, dass die Gegenwart Jesu schon im Jahre 1874 begonnen hatte und es 191445 „keine Welt- oder Nationenherrschaft mehr geben wird„46, während die späteren Zeugen Jehovas nach dem für Außenstehende nicht überraschenden Ausbleiben der von Russell errechneten Ereignisse das Jahr 1914 als Anfangspunkt der unsichtbaren Gegenwart Jesu annehmen.47
Für die Wachtturm-Gesellschaft ist die wichtigste Stelle in diesem Zusammenhang
Matthäus 24,3:
NWÜ: Als er auf dem Ölberg saß, traten die Jünger allein zu ihm und sprachen: „Sag uns: Wann werden diese Dinge geschehen, und was wird das Zeichen deiner Gegenwart und des Abschlusses des Systems der Dinge sein?“
ELB: Als er aber auf dem Ölberg saß, traten seine Jünger für sich allein zu ihm und sprachen: Sage uns, wann wird das sein, und was ist das Zeichen deiner Ankunft und der Vollendung des Zeitalters?
Dass das Wort parousía die Bedeutung „Gegenwart“ hat, steht außer Zweifel. Aber genauso steht außer Zweifel, dass es sich auch auf das „Kommen“ beziehen kann, mit dem eine „Gegenwart“ beginnt.
So schreibt Paulus etwa in 2 Korinther 7,5–7:
Denn auch als wir nach Mazedonien kamen, hatte unser Fleisch keine Ruhe, sondern in allem waren wir bedrängt; von außen Kämpfe, von innen Ängste. Aber der die Niedrigen tröstet, Gott, tröstete uns durch die Ankunft des Titus; doch nicht nur durch seine Ankunft, sondern auch durch den Trost, womit er bei euch getröstet worden ist, denn er berichtete uns eure Sehnsucht, euer Wehklagen, euren Eifer für mich, so dass ich mich noch mehr freute.
Vor der Ankunft des Titus war Paulus unruhig und bedrängt. Durch seine Ankunft (und natürlich auch seine darauf folgende Gegenwart) wurde er dann getröstet.
Ebenso Philipper 1,26:
[…] damit euer Rühmen überreich werde in Christus Jesus durch mich bei meiner Rückkehr zu euch.
Für „Rückkehr“ steht im Griechischen wörtlich: „Wieder-Ankunft“. Durch diese hoffte Paulus, wieder bei den Philippern zu sein.
Was die Gegenwart Jesu betrifft, so haben wir klare Verheißungen Jesu, die nicht erst seit 1914 gelten:
Denn wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich in ihrer Mitte. (Matthäus 18,20 NWÜ)
Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis zum Abschluß des Systems der Dinge. (Matthäus 28,20b NWÜ)48
Als Antwort sprach Jesus zu ihm: „Wenn jemand mich liebt, wird er mein Wort halten, und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm nehmen. (Johannes 14,23 NWÜ)
Jesus und der Vater nehmen Wohnung bei jedem, der Jesus liebt und sein Wort hält, nicht erst seit 1914.
Auch die folgenden Aussagen der Heiligen Schrift haben nur Sinn, wenn Jesus gegenwärtig ist:
Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht, denn getrennt von mir könnt ihr nichts tun. (Johannes 15,5)
[…] und nicht mehr lebe ich, sondern Christus lebt in mir. (Galater 2,20a)
Ihnen wollte Gott zu erkennen geben, was der Reichtum der Herrlichkeit dieses Geheimnisses unter den Nationen sei, und das ist: Christus in euch, die Hoffnung der Herrlichkeit. (Kolosser 1,27)
Auch dass Jesus erst 1914 die Königsherrschaft angetreten habe, widerspricht der Bibel:
[…] und nachdem er eine Reinigung für unsere Sünden herbeigeführt hatte, setzte er sich zur Rechten der Majestät in den Höhen. (Hebräer 1,3 NWÜ)
Die Reinigung für unsere Sünden war durch seinen Tod und seine Auferstehung, also schon im Jahre 30 (oder 33 nach der Chronologie der Wachtturmgesellschaft), nicht erst 1914.
Er hat uns von der Gewalt der Finsternis befreit und uns in das Königreich des Sohnes seiner Liebe versetzt, […] (Kolosser 1,13 NWÜ)
Die Christen des ersten Jahrhunderts befanden sich schon im Königreich Jesu, lange vor 1914.
Wer siegt, dem will ich gewähren, sich mit mir auf meinen Thron zu setzen, so wie ich gesiegt und mich mit meinem Vater auf seinen Thron gesetzt habe. (Offenbarung 3,21 NWÜ)
Diese werden mit dem Lamm Krieg führen, und das Lamm wird sie überwinden; denn es ist Herr der Herren und König der Könige, und die mit ihm sind, sind Berufene und Auserwählte und Treue. (Offenbarung 17,14)49
Auch alle Stellen, die über die Erhöhung Jesu zum Vater sprechen, bezeugen seine königliche Macht nicht erst seit 1914:
Nachdem er nun durch die Rechte Gottes erhöht worden ist und die Verheißung des Heiligen Geistes vom Vater empfangen hat, hat er dieses ausgegossen, was ihr seht und hört. (Apostelgeschichte 2,33)
Darum hat Gott ihn auch hoch erhoben und ihm den Namen verliehen, der über jeden Namen ist, damit in dem Namen Jesu jedes Knie sich beuge, der Himmlischen und Irdischen und Unterirdischen, und jede Zunge bekenne, dass Jesus Christus Herr ist, zur Ehre Gottes, des Vaters. (Philipper 2,9–11)
Auch Satan wurde nicht erst 1914 besiegt, sondern bereits durch das öffentliche Wirken und den Tod und die Auferstehung Jesu Christi:
Darauf sagte er zu ihnen: „Ich sah den Satan wie einen Blitz bereits aus dem Himmel gefallen. (Lukas 10,18 NWÜ)
Wenn ich aber durch den Finger Gottes die Dämọnen austreibe, so hat das Königreich Gottes euch wirklich eingeholt. Wenn ein starker, gutbewaffneter Mann seinen Palast bewacht, bleibt seine Habe in Frieden. Wenn aber ein Stärkerer als er gegen ihn herankommt und ihn besiegt, nimmt er ihm seine volle Rüstung weg, auf die er vertraute, und er teilt die Dinge aus, die er von ihm erbeutet hat. (Lukas 11,20–22 NWÜ)
Jetzt ergeht ein Gericht über diese Welt; jetzt wird der Herrscher dieser Welt hinausgeworfen werden. (Johannes 12,31 NWÜ)
[…] dann hinsichtlich Gericht, weil der Herrscher dieser Welt gerichtet worden ist. (Johannes 16,11 NWÜ)
Die Regierungen und die Gewalten entblößend, stellte er sie als besiegt in der Öffentlichkeit zur Schau und führte sie […] im Triumphzug einher. (Kolosser 2,15 NWÜ)
Wenn nun Jesus nach dem Zeugnis der Heiligen Schrift bereits seit den Anfängen der Christenheit unsichtbar unter uns gegenwärtig ist, und wenn er den Satan durch sein Leben, seinen Tod und seine Auferweckung besiegt hat, wenn er schon mit seiner Erhöhung nach seinem Tod seine Königsherrschaft angetreten hat, was soll sich dann nach der Lehre der Zeugen Jehovas im Jahre 1914 zugetragen haben?
Für uns gilt dasselbe, was auch für die Christen im 1. Jahrhundert galt, was wir auch im Hebräerbrief ausgedrückt finden:
Denn indem er ihm alles unterwarf, ließ er nichts übrig, das ihm nicht unterworfen wäre; jetzt aber sehen wir ihm noch nicht alles unterworfen. (Hebräer 2,8)
Wenn ihm dann bei seiner Wiederkunft alles unterworfen sein wird, wird das unübersehbar sein.
Im Appendix 5B der Studienausgabe der NWÜ findet sich auch folgender Absatz:
Ebenfalls bestätigt Bauer, Sp. 1249,50 daß parousía „zum offiz[iellen] Ausdruck für den Besuch hervorragender Amtsträger, bes[onders] auch v[on] Königen und Kaisern in der Provinz“, wurde. In Mat 24:3, wie auch in anderen Texten wie 1Th 3:13 und 2Th 2:1, bezieht sich das Wort parousía auf die königliche Gegenwart Jesu Christi seit seiner Einsetzung als König in den letzten Tagen dieses Systems der Dinge.
Dieses Zitat ist einerseits korrekt, aber insofern irreführend, als nur der erste Satz ein Zitat aus Bauers Wörterbuch ist. Jemandem, der nicht genau auf die Anführungszeichen achtet, wird der Eindruck vermittelt, dass auch die darauf folgende Ausführung noch von Bauer ist.
Der Vollständigkeit halber wollen wir ergänzen, was Bauer in derselben Spalte zum Stichwort parousía noch schreibt:
v[on] Christus, und zwar beinahe immer v[on] der messianischen Ankunft des Verklärten zum Gericht am Ende dieses Aeons: Mt 24,3, […] 1 Kor 15,23; 2 Th 2,8; 2 Pt 3,4; 1 J 2,28; […]
Wenn laut Bauer parousía für den Besuch „hervorragender Amtsträger“ verwendet wurde, spricht das eher für die Übersetzung mit „Kommen“, „Ankunft“, da Staatsbesuche in der Regel nur eine kurze Zeit dauern. Allerdings halten wir daran fest, dass, wenn Jesus sichtbar kommen wird, er für alle Ewigkeit bei den Seinen bleiben wird, bzw. die Seinen bei ihm.
Unseres Wissens war Benjamin Wilson mit seiner Interlinearausgabe „Emphatic Diaglott“ aus 1864 der erste, der parousía konsequent mit „presence“ („Gegenwart“) wiedergegeben hat. Alle Übersetzer vor ihm haben die konkrete Bedeutung des Wortes aus dem Zusammenhang erschlossen und in Matthäus 24,3 mit „Ankunft“ oder „Kommen“ übersetzt.
Zum Verständnis von Matthäus 24,3 ist es gut, auch die Parallele in Markus 13 zu berücksichtigen, da beide Stellen über dasselbe konkrete Gespräch Jesu mit vier seiner Jünger handeln. In Markus 13,4 lautet die Frage dieser Jünger, nachdem Jesus die Zerstörung des Tempels in Jerusalem angesprochen hatte:
Sage uns, wann wird das sein, und was ist das Zeichen, wann dies alles vollendet werden soll?
Jesus spricht dann über verschiedene Ereignisse, die der Tempelzerstörung vorausgehen sollten. Wir wollen hier nicht auf die Details eingehen, sind aber gerne bereit, interessierten Lesern mehr darüber zu schreiben.
Bedeutsam sind dann noch die Verse Markus 13,30–32:
Wahrlich, ich sage euch: Dieses Geschlecht wird nicht vergehen, bis alles dies geschehen ist. Der Himmel und die Erde werden vergehen, meine Worte aber werden nicht vergehen. Von jenem Tag aber oder der Stunde weiß niemand, auch nicht die Engel im Himmel, auch nicht der Sohn, sondern nur der Vater.
Jesus macht hier einerseits eine sehr konkrete Aussage, nämlich, dass „alles dies“ innerhalb einer Generation geschehen werde, andererseits gibt er eine völlig offene Erklärung zu „jenem Tag“ ab, nämlich, dass niemand weiß, nicht einmal er selbst (als Mensch auf Erden), wann dieser Tag sein werde. Der jüdische Tempel in Jerusalem wurde tatsächlich im Jahre 70, vierzig Jahre nachdem Jesus dies angekündigt hatte, zerstört. Der Tag seiner Wiederkunft ist noch nicht geschehen. Kein Mensch weiß und kann es wissen, wann dieser Tag sein werde.
Wenn wir von Markus 13 wieder zu Matthäus 24 zurückkehren, so müssen wir die Frage der Jünger in Matthäus 24,3 als Parallele zu Markus 13,4 verstehen. Die Jünger wollten wissen, wann der Tempel zerstört werden würde, und was die Vorzeichen dieses Ereignisses sein werden. Mit der Tempelzerstörung wurde ein Zeitalter abgeschlossen, das Zeitalter des Gesetzes mit dem Tempelkult, wie es auch in Hebräer 8,13 heißt:
Indem er von einem „neuen“ Bund spricht, hat er den ersten für veraltet erklärt; was aber veraltet und sich überlebt, ist dem Verschwinden nahe.
Im direkten Zusammenhang spricht Matthäus 24,3 also vom Kommen Jesu, des Menschensohnes als Richter über sein Volk. Die Zerstörung des Tempels war das Gericht Gottes, das durch die Hand der Römer ausgeführt wurde. Es ist eingetroffen, was in Maleachi 3,24 als Befürchtung geäußert wurde:
Und er (Elia) wird das Herz der Väter zu den Söhnen und das Herz der Söhne zu ihren Vätern umkehren lassen, damit ich nicht komme und das Land mit dem Bann schlage.
Da sich das Volk Israel weder durch Elia (in der Person Johannes des Täufers) noch durch den nach ihm kommenden Herrn (Jesus) zur Umkehr bewegen ließ, wurde das Land in den Bann geschlagen. Die Vorzeichen dieses Kommens zum Gericht finden wir in Matthäus 24,4–28.
Matthäus 24 spricht aber auch von dem für alle sichtbaren Kommen Jesu am Ende der Zeiten. Hier heißt es aber wieder ganz klar:
Von jenem Tag aber und jener Stunde weiß niemand, auch nicht die Engel in den Himmeln, auch nicht der Sohn, sondern der Vater allein. (Matthäus 24,36)
Damit schiebt Jesus jedem Versuch, den Tag oder auch nur die ungefähre Zeit seiner Wiederkunft (oder „Gegenwart“) berechnen zu wollen, einen Riegel vor.51
Für alle, die sich diesen Worten Jesu wiedersetzen und meinen, trotzdem „prophetische“ Aussagen über den Tag Jesu treffen zu müssen treffen die Worte aus Deuteronomium 18,20–22 zu:
Doch der Prophet, der sich vermessen sollte, in meinem Namen ein Wort zu reden, das ich ihm nicht befohlen habe zu reden, oder der im Namen anderer Götter reden wird: dieser Prophet muss sterben. Und wenn du in deinem Herzen sagst: „Wie sollen wir das Wort erkennen, das nicht der HERR geredet hat?“, wenn der Prophet im Namen des HERRN redet, und das Wort geschieht nicht und trifft nicht ein, so ist das das Wort, das nicht der HERR geredet hat. In Vermessenheit hat der Prophet es geredet; du brauchst dich nicht vor ihm zu fürchten.
Für die Sichtbarkeit des Kommens Jesu am Ende der Zeiten spricht nicht nur Matthäus 24,30b:
und sie werden den Menschensohn mit Macht und großer Herrlichkeit auf den Wolken des Himmels kommen sehen. (NWÜ)
sondern auch folgende Stellen:
Wenn aber der Sohn des Menschen kommen wird in seiner Herrlichkeit und alle Engel mit ihm, dann wird er auf seinem Thron der Herrlichkeit sitzen; und vor ihm werden versammelt werden alle Nationen, und er wird sie voneinander scheiden, wie der Hirte die Schafe von den Böcken scheidet. (Matthäus 25,31–32)
[…] und sie sprachen: „Männer von Galilạ̈a, warum steht ihr da und schaut zum Himmel empor? Dieser Jesus, der von euch weg in den Himmel aufgenommen worden ist, wird so kommen, in derselben Weise, wie ihr ihn in den Himmel habt gehen sehen.“ (Apostelgeschichte 1,11 NWÜ)
[…] wenn er kommt, um an jenem Tag in seinen Heiligen verherrlicht und in allen denen bewundert zu werden, die geglaubt haben; […] (2 Thessalonicher 1,10)
7.7 Zum Herrenmahl
Matthäus 26,26–28:
NWÜ: Während sie weiteraßen, nahm Jesus ein Brot, und nachdem er einen Segen gesprochen hatte, brach er es, gab es den Jüngern und sagte: „Nehmt, eßt! Dies bedeutet meinen Leib.“ Auch nahm er einen Becher, und nachdem er Dank gesagt hatte, gab er ihnen diesen und sprach: „Trinkt daraus, ihr alle; denn dies bedeutet mein ‚Blut des Bundes‘, das zugunsten vieler zur Vergebung der Sünden vergossen werden wird.
KIT:
ELB: Während sie aber aßen, nahm Jesus Brot und segnete, brach und gab es den Jüngern und sprach: Nehmt, esst, dies ist mein Leib! Und er nahm einen Kelch und dankte und gab ihnen den und sprach: Trinkt alle daraus! Denn dies ist mein Blut des Bundes, das für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden.
Zeugen Jehovas haben ein symbolisches Verständnis des Herrenmahles (bei ihnen „Gedächtnismahl“ genannt). Während andere Gruppierungen mit symbolischem Abendmahlsverständnis bei der wörtlichen Übersetzung „Dies ist mein Leib.“ (Vers 26) und „Dies ist mein Blut des Bundes.“ (Vers 28) bleiben, lautet die Wiedergabe der NWÜ: „Dies bedeutet meinen Leib.“ bzw. „Dies bedeutet mein ‚Blut des Bundes‘.“ Nun kann das griechische Wort estin auch die Bedeutung „bedeutet“ haben. Es gibt auch Stellen, wie etwa in Matthäus 13,38, wo in der Erklärung vom Gleichnis des Unkrauts im Acker man ohne Probleme statt mit: „Der Acker ist die Welt.“ auch mit „Der Acker bedeutet die Welt.“ übersetzen könnte. Interessanterweise lautet aber hier die NWÜ: „Das Feld ist die Welt.“
Den Übersetzern der NWÜ war sicher nicht unbekannt, dass es in verschiedenen Konfessionen verschiedene Auslegungen des estin in Mt 26,26 gibt. Da sie nicht die Wiedergabe „ist“ gewählt haben und so die Interpretation dem Leser überlassen hätten, legt sich die Annahme nahe, dass sie mit der von ihnen gewählten Version die Auslegung der Wachtturmgesellschaft unterstützen wollten.
Wir haben hier nur die Stelle bei Matthäus angeführt. Derselbe Fall liegt auch bei den Parallelen in Markus 14,22–24; Lukas 22,19–20 und 1 Korinther 11,23–25 vor.
7.8 Kreuz oder Marterpfahl?
Für Leser herkömmlicher Übersetzungen wirkt die Verwendung des Wortes „Marterpfahl“ für das üblicherweise mit „Kreuz“ wiedergegebene griechische Wort staurós auf den ersten Blick befremdlich. Nun ist die Frage nach der genauen Hinrichtungsart Jesu nicht besonders wesentlich. Da diese Frage den Übersetzern der NWÜ doch wichtig war und sie ihre Übersetzung im Appendix 5C der Studienausgabe der NWÜ begründen, wollen wir uns auch mit dieser Frage beschäftigen.
Einleitend wollen wir daran festhalten dass für Charles Taze Russell, den Begründer der Bibelforscherbewegung, deren Hauptzweig sich später „Zeugen Jehovas“ nannte, diese Frage nicht existierte und dass jahrzehntelang das Zeichen dieser Bewegung das von einer Krone umgebene Kreuz war, wie folgende Abbildung aus dem Titelblatt des Wachtturms vom Januar 1904 zeigt:
Den Zeugen Jehovas ist zuzustimmen, dass das Wort staurós im klassischen Griechisch seit Homer einen „aufrecht stehenden spitzen Pfahl„52 bedeutete. Da Jesus aber von einem römischen Gericht zum Tode verurteilt wurde, und dieses Urteil durch römische Soldaten exekutiert wurde, stellt sich die Frage nicht so sehr nach dem klassisch griechischen Wortgebrauch, sondern nach der römischen Hinrichtungspraxis.
Laut Walter Bauer erwähnt im 2. Jahrhundert nach Christus Artemidoros 2,53, dass am oberen Ende des senkrechten Pfahls häufig ein Querbalken befestigt war. Detaillierte Information über den Vorgang dieser schrecklichen Todesstrafe findet man im Wikipedia-Artikel zum Thema Kreuzigung und auch im Artikel Crux in Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft. Auch der Fund eines Fersenknochens eines im 1. Jahrhundert in Palästina (Giv-at ha-Mivtar) gekreuzigten Juden spricht dafür, dass die Römer im ersten Jahrhundert die Kreuze mit einem Querbalken verwendet haben. Ferner zeigt das 1856 in Rom gefundene Spottkruzifix vom Palatin aus dem 2./3. Jahrhundert, in dem vermutlich der christliche Sklave Alexamenos dafür verspottet wird, dass er einen Gekreuzigten, der hier mit einem Eselskopf dargestellt wird, als Gott anbetet, dass es Kreuze mit Querbalken gab und Christen für die Verehrung eines Gekreuzigten verspottet wurden.53 Auch wenn die NWÜ eine aus einem Werk aus dem 17. Jahrhundert stammende Darstellung einer „crux simplex“ zeigt,54 ist die Ansicht, dass Jesus an einem Marterpfahl hingerichtet wurde, historisch und archäologisch betrachtet heute nicht mehr vertretbar.
Auch aus frühchristlichen Schriften geht eindeutig hervor, dass damals das Kreuz nicht als einfacher Balken aufgefasst wurde. Beispiele dafür finden sich in:
Barnabasbrief 9,12: Hier wird das Kreuz mit dem griechischen Buchstaben Tau verglichen.
Barnabasbrief 12,2: Hier wird der die Arme ausbreitende Mose mit dem Kreuz verglichen.
Ignatius an die Trallianer 11,2: Spricht von den „Ästen des Kreuzes“.
Justin, 1. Apologie 35: […] wohl aber hat Jesus Christus seine Hände ausbreiten müssen, als er von den Juden gekreuzigt wurde, […]
Justin, 1. Apologie 60: Vergleicht das Kreuz mit einem Chi.
Weitere Hinweise, die wir hier nicht detailliert anführen, finden sich auch in den Schriften von Tertullian.
Auch die biblischen Berichte unterstützen die Annahme, dass Jesus an ein Kreuz geschlagen wurde und nicht an einen Marterpfahl.
Johannes 19,17 (ebenso die Parallelen in den synoptischen Evangelien) spricht davon, dass Jesus sein Kreuz selbst getragen hat. Es legt sich hier nahe, dass Jesus nur den Querbalken, das sogenannte Patibulum, tragen musste, als den „Marterpfahl“, wie die NWÜ schreibt. Ein Pfahl, der so groß und tragfähig sein musste, dass er einen Menschen tragen kann, kann schon von einem gesunden Menschen nur mit Mühe getragen werden. Wie hätte das der durch die Geißelung geschwächte Jesus auch nur ein kleines Stück weit schaffen sollen?
Matthäus 27,37 (NWÜ): Auch brachten sie über seinem Haupt die Inschrift über die gegen ihn erhobene Beschuldigung an: „Dieser ist Jesus, der König der Juden.“
Wenn Jesus an einen Marterpfahl mit seinen Händen über seinem Haupt angenagelt worden wäre, würde da nicht eher stehen, dass die Inschrift über seinen Händen angebracht wurde?
Johannes 20,25 (NWÜ): Infolgedessen sagten die anderen Jünger zu ihm: „Wir haben den Herrn gesehen!“ Er aber sprach zu ihnen: „Wenn ich nicht in seinen Händen die Spur der Nägel sehe und meinen Finger in die Spur der Nägel lege und meine Hand in seine Seite lege, will ich es bestimmt nicht glauben.“
Thomas spricht hier von der „Spur der Nägel“, nicht „des Nagels“. Wäre Jesus, so, wie häufig in Publikationen der Zeugen Jehovas dargestellt, mit beiden Händen über seinem Haupt angenagelt worden, wären beide Hände von einem einzigen Nagel durchbohrt worden.
Zusammenfassend können wir feststellen, dass weder die Bibel noch außerbiblische Zeugnisse für die Auffassung der Zeugen Jehovas, dass Jesus an einem Marterpfahl gestorben sei, sprechen, und dass wir daher andere Gründe im Hintergrund vermuten dürfen, wenn die NWÜ staurós mit „Marterpfahl“ wiedergibt. Diese Wiedergabe kann nicht durch den von ihnen angeführten Grund „Wir möchten dem geschriebenen Wort Gottes nichts hinzufügen, indem wir den heidnischen Begriff „Kreuz“ in die inspirierten Schriften aufnehmen würden […]“ gerechtfertigt werden, sondern entsprang vielleicht dem Wunsch, sich durch etwas Besonderes von allen anderen sich christlich nennende Gruppierungen zu unterscheiden. In heidnischen Religionen finden wir nicht nur das Kreuz als Symbol. Es wurden in heidnischen Kulten auch einfache aufrecht stehende Pfähle verwendet.55
7.9 Will Gott das Heil aller oder „aller Arten von“ Menschen?
Johannes 1,7.9:
NWÜ: Dieser kam zu einem Zeugnis, um Zeugnis von dem Licht abzulegen, damit durch ihn Menschen von allen Arten zum Glauben kämen. […] 9 Das wahre Licht, das jeder Art von Menschen Licht gibt, war im Begriff, in die Welt zu kommen.
KIT:
ELB: Dieser kam zum Zeugnis, dass er zeugte von dem Licht, damit alle durch ihn glaubten. […] 9 Das war das wahrhaftige Licht, das, in die Welt kommend, jeden Menschen erleuchtet.
Johannes 12,32:
NWÜ: Und doch werde ich, wenn ich von der Erde erhöht bin, Menschen von allen Arten zu mir ziehen.
KIT:
ELB: Und ich, wenn ich von der Erde erhöht bin, werde alle zu mir ziehen.
1 Timotheus 2,4:
NWÜ: […] dessen Wille es ist, daß alle Arten von Menschen gerettet werden und zu einer genauen Erkenntnis der Wahrheit kommen.
KIT:
ELB: […] welcher will, dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen.
Weitere Stellen mit derselben Wiedergabe: 1 Timotheus 2,1; 4,10; Titus 2,11.
Ein Blick auf die KIT zeigt, dass das griechische Wort pás (hier in den Formen pántes, pánta und pántas) im Interlineartext mit „all“ und „every“ wiedergegeben wird, was auch der Elberfelder Übersetzung „alle“ und „jeder“ entspricht, von der NWÜ sowohl im Englischen als auch im Deutschen ganz anders wiedergegeben wird. Aus „allen“ wird „alle Arten von“.
Nun kann dieses Wort im gegebenen Zusammenhang auch die Bedeutung “alle Arten von” haben, wie etwa in Lukas 11,42 “alles Kraut” im Sinne von “allen Arten von Kräutern”. In den drei oben angeführten Stellen geht es aber um die Universalität des Rufes Jesu und des Wirkens seiner Erlösungstat auf alle Menschen. Wenn Gott nicht alle Menschen retten will, sondern nur “alle Arten von Menschen”, so führt das zu einer völlig anderen Aussage über Gott. Deswegen hat bereits Augustinus in Verteidigung seiner Prädestinationslehre 1. Timotheus 2,4 als von “allen Arten von Menschen” sprechend verstanden56.
Nach unserem Wissen vertritt die Wachtturmgesellschaft die Lehre der Prädestination nicht. Dennoch wird aus der traurigen Tatsache, dass nicht alle Menschen das Heilsangebot Gottes annehmen der Schluss gezogen, dass es nicht „Gottes Wille oder Absicht ist, dass alle Menschen gerettet werden.„57
7.10 Sonstiges
Matthäus 5,3:
NWÜ: Glücklich sind die, die sich ihrer geistigen Bedürfnisse bewußt sind, da das Königreich der Himmel ihnen gehört.
KIT:
ELB: Glückselig die Armen im Geist, denn ihrer ist das Reich der Himmel.
Der Ausdruck „Arme im Geist“ drückt auch aus, dass wir uns „unserer geistlichen Bedürfnisse“ bewusst sein sollen.58 Es ist sehr wichtig, dass wir uns ganz bewusst sind, wie sehr wir von Gott abhängen. Aber es geht Jesus um mehr. Es geht ihm darum, dass wir, vom Heiligen Geist geführt, bewusst arm leben, dass wir uns nicht die Schätze dieser Erde ansammeln, sondern ganz frei für Gott sind. Dieser wichtige Aspekt geht in der interpretierenden Wiedergabe der NWÜ verloren.
1 Korinther 7,36–38:
NWÜ: Wenn aber jemand denkt, er verhalte sich gegenüber seiner Jungfräulichkeit ungehörig, wenn diese über die Blüte der Jugend hinausgeht, und es auf diese Weise geschehen sollte, so tue er, was er will; er sündigt nicht. Sie mögen heiraten. Wenn jemand aber in seinem Herzen feststeht, indem er keine Notwendigkeit empfindet, sondern über seinen eigenen Willen Gewalt hat und diese Entscheidung in seinem eigenen Herzen getroffen hat, seine Jungfräulichkeit zu bewahren, wird er gut tun. Folglich tut auch der gut, der seine Jungfräulichkeit in den Ehestand gibt, wer sie aber nicht in den Ehestand gibt, wird besser tun.
KIT:
ELB: Wenn aber jemand denkt, er handle ungeziemend mit seiner Jungfrau, wenn er in der Vollkraft steht, und es muss so geschehen, so tue er, was er will; er sündigt nicht; sie sollen heiraten. Wer aber im Herzen feststeht und keine Not, sondern Macht hat über seinen eigenen Willen und dies in seinem Herzen beschlossen hat, seine Jungfrau zu bewahren, der handelt gut. Also, wer seine Jungfrau heiratet, handelt gut, und wer sie nicht heiratet, wird besser handeln.
Diese Stelle ist sicher nicht leicht zu verstehen.59 Aber das rechtfertigt noch nicht die Abänderung des Wortes „Jungfrau“ in „Jungfräulichkeit“. Das griechische Wort parthenos heißt „Jungfrau“.
8 Zum Abschluss
Wie bereits eingangs erwähnt, ist das Übersetzen der Heiligen Schrift keine einfache Aufgabe und mit einer großen Verantwortung verbunden. Jeder aufrichtige Übersetzer ist in seiner Arbeit allein an den Text gebunden. Es ist seine Aufgabe, den Text unabhängig von dogmatischen Vorgaben zu übersetzen. Das Wort Gottes soll die Basis der Lehre sein, nicht umgekehrt.
Ich lege vor jedermann Zeugnis ab, der die Worte der Prophezeiung dieser Buchrolle hört: Wenn jemand einen Zusatz zu diesen Dingen macht, wird Gott ihm die Plagen hinzufügen, die in dieser Buchrolle geschrieben stehen; und wenn jemand irgend etwas von den Worten der Buchrolle dieser Prophezeiung wegnimmt, wird Gott dessen Teil von den Bäumen des Lebens und aus der heiligen Stadt wegnehmen, Dinge, die in dieser Buchrolle geschrieben stehen. (Offenbarung 22,18–19 NWÜ)
Leider haben die Übersetzer der NWÜ diese Warnung nicht immer ernst genommen.
Wir wollen daher alle Menschen, die aufrichtig nach der Wahrheit suchen, dazu ermuntern, jede religiöse Gruppierung nach dem Wort Gottes zu beurteilen.
Jünger Jesu handeln nach folgendem Grundsatz, den Paulus an die Korinther geschrieben hat. Sie sind bereit, sich von jedermann durch das Gewissen vor Gott prüfen zu lassen.
Darum, da wir diesen Dienst haben, weil wir ja Erbarmen gefunden haben, ermatten wir nicht; sondern wir haben den geheimen Dingen, deren man sich schämen muss, entsagt und wandeln nicht in Arglist, noch verfälschen wir das Wort Gottes, sondern durch die Offenbarung der Wahrheit empfehlen wir uns jedem Gewissen der Menschen vor Gott. (2 Korinther 4,1–2)
- Damit sind die Schriften des Neuen Testaments gemeint. ↩
- Wir verwenden die Ausgabe der Neuen-Welt-Übersetzung in der deutschen Übersetzung von 1986, basierend auf der englischen Version von 1984. Während der Arbeit an dieser Abhandlung erschien im Oktober 2013 eine neue Revision der englischen New-World-Translation, die wir zu Überprüfungszwecken herangezogen haben. ↩
- Neue-Welt-Übersetzung der Heiligen Schrift, Revidiert 1986, Vorwort, S.5. ↩
- Wir verwenden die Ausgabe von 1985; später wurde sie nicht mehr gedruckt. ↩
- In der Ausgabe von 2013: „inspired word“ („inspiriertes Wort). ↩
- Walter Bauer, Griechisch-deutsches Wörterbuch zu den Schriften des Neuen Testaments und der frühchristlichen Literatur, 6. Auflage, Berlin 1988, Sp. 892. ↩
- In Zion’s Watch Tower vom November 1879, S. 48 schrieb C. T. Russell aber noch eindeutig: Michael ist nicht der Sohn Gottes. ↩
- Vergleiche dazu: Einsichten über die Heilige Schrift, Band 2, Seite 351–352; Was lehrt die Bibel wirklich, 2005, S. 218–219; Wer ist Jesus Christus? ↩
- Mehr zur Frage der Gottheit Jesu ist in einer eigenen Abhandlung nachzulesen. ↩
- Elberfelder Fußnote dazu: o. Anfänger, Urheber, Begründer. ↩
- In ELB selbe Fußnote wie bei 3,15. ↩
- Hier findet sich allerdings die Fußnote: Wtl.: „Oberanführer (Hauptanführer)“. Gr.: archēgón. ↩
- Bauer, Sp. 225. ↩
- So die Einheitsübersetzung in Apostelgeschichte 3,15. ↩
- Bauer, Sp. 50. ↩
- Die englische Ausgabe von 2013 merkt in der Fußnote an: Or „was divine.“ (war göttlich.) ↩
- Zumindest im Deutschen, wo Substantive groß geschrieben werden müssen. Im Englischen wird „god“ in „the only-begotten god“ mit kleinem Anfangsbuchstaben geschrieben. Da das im Deutschen nicht möglich ist, wird das Wort Gott, wo es sich auf den Vater bezieht, deshalb nur mit Großbuchstaben geschrieben, um den Gedanken, dass Vater und Sohn dasselbe Wesen haben könnten, abzuwehren. ↩
- Vergleiche die Einheitsübersetzung: Der Einzige, der Gott ist und am Herzen des Vaters ruht, er hat Kunde gebracht. ↩
- Eine umfangreiche englischsprachige Diskussion zur Übersetzung von Johannes 8,58 ist unter forananswer abrufbar. ↩
- Ein Adverbialsatz ist ein Gliedsatz, der den Umstand (wie hier die Zeit) angibt, unter dem das Geschehen im Hauptsatz verläuft. ↩
- Im Normalfall eines PPA müsste die Formulierung etwa so lauten: Seit Abraham wurde […]. ↩
- Der englische Text ist unter New Advent zu finden. „Aber warum sagte er nicht ‚Bevor Abraham war, war ich.‘ statt ‚bin ich‘? So wie der Vater diesen Ausdruck ‘Ich bin’ verwendet, so auch Christus, denn es bezeichnet beständiges Sein, unabhängig von aller Zeit.“ ↩
- Die Arianer lehnten die Lehre von der göttlichen Natur Jesu Christi ab. ↩
- Wulfila ↩
- Möglich wäre, dass Jesus eine Formulierung verwendet hat, die die jüdischen Gegner an die Worte Gottes an Mose in Exodus 3,14 Ich bin der ich bin. (ELB) oder Ich werde mich erweisen, als was ich mich erweisen werde. (NWÜ) erinnert hat. Eine andere Möglichkeit wäre, dass Jesus die Formulierung ani hu (wörtlich: „ich er“) verwendet hat, wie wir sie in Jesaja 43,10 finden, wo wir in der schon vor Christus entstandenen griechischen Übersetzung, der Septuaginta, dieselben Worte ego eimi wie in Johannes 8,58 finden: Ihr seid meine Zeugen, spricht der HERR, und mein Knecht, den ich erwählt habe, damit ihr erkennt und mir glaubt und einseht, dass ich es bin. Vor mir wurde kein Gott gebildet, und nach mir wird keiner sein. ↩
- In der englischen Ausgabe von 2013 wurden hier die eckigen Klammern entfernt. ↩
- Schlachter 2000 merkt an: w. der Erstgeborene aller Schöpfung; d. h., Christus hat den Vorrang gegenüber der ganzen Schöpfung. ↩
- Anredefall. ↩
- Die Form adonaj wurde nur für Gott verwendet, während adon das allgemeinere Wort für „Herr“ war und sich auch auf andere beziehen konnte. ↩
- Jüdische Gelehrte. ↩
- Die Form „Jehova“ wird auf den Dominikaner Raymundus Martinus (1220–1285) zurückgeführt. ↩
- Die vier Buchstaben JHWH. ↩
- Vergleiche dazu: Albert Pietersma, “Kyrios or Tetragram: A Renewed Quest for the Original Septuagint” in De Septuaginta. Studies in Honour of John W. Wevers on His Sixty-Fifth Birthday, ed. Albert Pietersma and Claude Cox (Mississauga: Benben Publishers, 1984), 85–101. Der Autor bringt Argumente, dass die Existenz von Septuaginta-Handschriften, in denen der Gottesname mit hebräischen Buchstaben eingefügt wurde, nicht bedeutet, dass es auch in der ursprünglichen Septuaginta so war. Er geht auf die Fragmente im Detail ein und beschäftigt sich mit der Art, wie kyrios in den Septuagintatexten verwendet wird. ↩
- Im Anhang ihrer Studienbibel heißt es: Irgendwann während des zweiten oder dritten Jahrhunderts u. Z. entfernten die Abschreiber das Tetragrammaton sowohl aus der Septuaginta als auch aus den Christlichen Griechischen Schriften und ersetzten es durch Kýrios, „Herr“, oder Theós, „Gott“. — Nun gibt es aber aus diesem Zeitraum sowohl Handschriften mit neutestamentlichen Texten als auch außerbiblische Texte von Autoren, die das Neue Testament zitieren. Papyrus 66 stammt aus dem zweiten Jahrhundert und enthält fast das komplette Johannesevangelium, Papyrus 46 vermutlich auch noch aus dem zweiten Jahrhundert enthält fast alle Paulusbriefe. In keiner dieser Handschriften findet sich auch nur eine Spur von „Jehova“. ↩
- Siehe dazu Punkt 7.6 dieser Ausarbeitung. ↩
- Fußnote in der NWÜ: Od.: „anrief“, „betete“. ↩
- Was lehrt die Bibel wirklich? Kapitel 6. ↩
- Es stellt sich hier auf dem Hintergrund der von den Zeugen Jehovas gelehrten unterschiedlichen Jenseitshoffnungen die Frage, wo Jesus denn nun sein werde, im Himmel oder im Paradies auf der Erde. ↩
- Bei Johannes: „Wahrlich, wahrlich ich sage dir/euch […].“ ↩
- Bauer, Sp. 896. ↩
- Bauer, Sp. 403. ↩
- Die Version der NWÜ „daß der Glaube ohne Werke untätig ist“ ist eine Tautologie. Die englische Version von 2013 hat daher abgeändert auf: „useless“ („nutzlos“). ↩
- Die neue englische Version von 2013 hat hier die Tradition gebrochen und übersetzt: […] their coming to know you, […]. ↩
- Dieser Name wurde erst 1931, also 15 Jahre nach Russells Tod angenommen. ↩
- Die Berechnung dieses Jahres aus Daniel 4 geht auf Russell zurück, so auch im Wachtturm vom Januar 1904. Russell hat das aber nicht als Beginn der Gegenwart Jesu betrachtet, sondern als Ende der Herrschaft der Nationen. Die heute übliche Berechnung des Jahres 1914 wird etwa im Kapitel „1914 — ein bedeutsames Jahr in der biblischen Prophetie“ des 2005 erschienen Büchleins „Was lehrt die Bibel wirklich“, S. 216–218 dargelegt. Die dort vorgestellte Berechnung weist folgende Mängel auf:
1. Apostelgeschichte 1,7: Er sprach zu ihnen: Es ist nicht eure Sache, Zeiten oder Zeitpunkte zu wissen, die der Vater in seiner eigenen Vollmacht festgesetzt hat. Dieses Wort Jesu sollte Grund genug sein, jede Art von Berechnung abzulehnen. Der Vollständigkeit halber seien noch folgende weitere Gründe genannt:
2. In Daniel 4 geht es nicht um die Wiederkunft oder Gegenwart Jesu, sondern um die Erniedrigung und Erhöhung Nebukadnezzars. Das Argument, dass Bäume in der Bibel oft ein Sinnbild für Herrschaft sind, bedeutet noch lange nicht, dass es hier um die Herrschaft der Könige von Israel geht. Der Zusammenhang spricht ja von der Herrschaft Nebukadnezzars.
3. Im Rahmen von Daniel 4 sind die „sieben Zeiten“ auf sieben Jahre Nebukadnezzars zu beziehen. Es gibt keine stichhaltige Begründung, dass mit den „sieben Zeiten“ von Daniel 4,16 genau die doppelte Menge von Offenbarung 12,6.14 gemeint sein soll.
4. Wenn man schon Offenbarung 12,6.14 heranzieht, dann geht es dort um dreieinhalb Jahre einer Verfolgung. Die Regel „ein Tag für ein Jahr“, die Jehovas Zeugen aus den völlig anderen Zusammenhängen von Numeri 14,34 bzw. Ezechiel 4,6 entnehmen, wird hier nur aufgrund einer willkürlichen Annahme verwendet.
5. Der Ausgangspunkt, der Berechnung, nämlich die Annahme der Zerstörung Jerusalems durch Nebukadnezzar im Jahre 607 v. Chr. ist unhistorisch. Nach Annahme aller namhafter Experten wurde Jerusalem nicht 607, sondern 587 oder 586 von den Babyloniern zerstört. Für die Zerstörung Jerusalems im Jahre 607 v. Chr. gibt es weder in der Bibel noch in außerbiblischen Schriften ernsthafte Argumente.
An dieser schon an sich dem Willen Gottes widersprechenden Auslegung ist also alles falsch, was nur falsch sein kann. ↩ - So in der deutschsprachigen Ausgabe des Wachtturms vom Januar 1904, Seite 8. ↩
- Inzwischen sind noch einige weitere Termine (1925, 1975) verflossen. 1995 wurde die jahrzehntelang verkündete Erwartung, dass das irdische Paradies innerhalb einer Generation nach 1914 sichtbar werde, notgedrungen aufgegeben. Die Studienausgabe des Wachtturms vom Januar 2014 stellt trotzdem voller Zweckoptimismus fest: Die begeisternden Ereignisse in den 100 Jahren Königreichsherrschaft sind ein Beweis dafür, dass Jehova alles im Griff hat und sein Vorhaben mit der Erde verwirklicht. Bleiben wir ihm treu untertan und verkünden wir den König und sein Königreich. Vertrauen wir dabei völlig darauf, dass Jehova unsere aufrichtige Bitte erhört: „Dein Königreich komme“!
Gott hat tatsächlich alles im Griff. Aber meint der Wachtturm mit den „begeisternden Ereignissen“ die Serie von nicht eingetroffenen Berechnungen? ↩ - Russell führte in seinem oben erwähnten Erstlingsbuch diese Stelle noch mit der Formulierung „Lo, I am with you always, even unto the end of the world.“ (Siehe, ich bin immer bei euch, bis zum Ende der Welt) als Argument dafür an, dass Christus immer mit seinem Geist anwesend war, dass seine unsichtbare Gegenwart aber mit seinem geistlichen Leib sein werde. Da für Russell der auferstandene Jesus aber nicht mehr Mensch war, sondern ein Geistwesen, stellt sich die Frage, worin der Unterschied zwischen dem geistlichen Leib Christi und seinem Geist besteht. ↩
- Die präsentische Formulierung zeigt, dass das Lamm schon zur Zeit der Niederschrift des Buches König war, nicht erst seit 1914. ↩
- In der 6. Auflage in Spalte 1272. ↩
- Interessant ist die Bemerkung von Charles T. Russell im deutschen Wachtturm vom Januar 1904 zur Parallelstelle in Markus 13,32: […] wenn diese Stelle sagen soll, dass kein Mensch je die Zeit und die Stunde wissen werde, so muß sie gleichfalls bedeuten, daß es kein Engel je wissen wird und auch der Sohn selbst nicht. Das wäre offenbar eine alberne Auslegung dieser Stelle. Wohl hat der Sohn Gottes nicht die Zeit gewußt, als er diesen Ausspruch tat, noch irgend ein Engel oder Mensch; aber sicherlich mußte der Sohn die Zeit und Stunde seines eigenen zweiten Adventes wenigstens eine kurze Zeit vor dem Stattfinden desselben wissen, und ebenso die Engel. Und die wahren Kinder Gottes sollen, wie wir oben gesehen, wachen, damit auch sie zu seiner Zeit „wissen“ mögen und nicht mit der Welt im Finstern, in Unwissenheit seien.
Jesus wusste den Zeitpunkt seines zweiten Kommens nicht erst „wenigstens eine kurze Zeit vor dem Stattfinden desselben“, sondern bei seiner Verherrlichung nach seiner Auferstehung und Himmelfahrt. Herr Russell wusste es jedenfalls nicht, auch wenn er sich seiner Berechnungen ganz sicher war. Keiner der heutigen Zeugen Jehovas glaubt seinem Datum des Beginns der unsichtbaren Gegenwart Jesu im Jahre 1874. Russell schreibt im selben Wachtturm: Nach unserem Verständnis gibt es starke Beweise dafür, dass die Parusia des Herrn im Herbst 1874 begann. Mit dem natürlichen Auge haben wir davon nichts gesehen; nur mit dem Auge des Verständnisses, und auch das nur im Licht des „festen prophetischen Wortes“, dem wir aufrichtig glauben und vertrauen. […] ↩ - So auch nach Bauers Wörterbuch zum Neuen Testament, Sp. 1527. ↩
- Diese Darstellung beweist natürlich nicht, dass im 2./3. Jahrhundert Kreuze als Gegenstände religiöser Verehrung verwendet wurden. Sie zeigt nur, wie im heidnischen Umfeld das Christentum verstanden wurde, nämlich dass die Christen einen Gekreuzigten göttlich verehren, was die Heiden auf einer Stufe mit der Verehrung eines Esels gesehen haben. ↩
- Es ist aber darauf hinzuweisen, dass Justus Lipsius in seinem Werk „De Cruce Libri Tres“ in der von den Zeugen Jehovas wiedergegebenen Abbildung der „crux simplex“ NICHT die Kreuzigung Jesu darstellen wollte. Das lateinisch verfasste Werk ist im Internet abrufbar. Dort, wo es um die Kreuzigung Jesu geht, bleibt auch Lipsius bei der üblichen Kreuzform. Leider kann sich Lipsius im Nachhinein gegen den Missbrauch seines Werkes nicht mehr wehren. ↩
- Siehe dazu den Artikel „Heiliger Pfahl“ in der Publikation Einsichten in die Heilige Schrift, Band 1, S. 1106–1107. ↩
- Augustinus, De correptione et gratia, 14,44. ↩
- Aus einem Schreiben von Jehovas Zeugen, Zweigbüro Zentraleuropa vom 22.10.2015: Obwohl Jehova wünschen mag, dass alle Menschen zu einer genauen Erkenntnis der Wahrheit kommen und errettet werden, so weiß er dennoch, dass dies nicht der Fall sein wird […] In 1. Timotheus 2:4 ist somit nicht gemeint, dass es Gottes Wille oder Absicht ist, dass alle Menschen gerettet werden. ↩
- Geistige Bedürfnisse beziehen sich doch wohl eher auf die intellektuellen Bedürfnisse, die wir haben. Jesus will doch nicht sagen, dass wir uns weiterbilden sollen. Hier lag der Fehler aber beim Übersetzer ins Deutsche. Das Englische hat korrekt „spiritual“. ↩
- Wir beschäftigen uns in unserer Ausarbeitung über Ehe und Ehelosigkeit im Lichte der Bibel besonders auch in den Fußnoten 8 und 9 näher mit dieser Stelle. ↩