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Manchmal wird angenommen, Christen seien Menschen, die alles, was in der Bibel steht, wortwörtlich verstehen, also dass etwa die Welt in sechs Tagen erschaffen wurde. Dabei übersehen sie, dass zwischen „ernst nehmen“ und „wortwörtlich verstehen“ ein großer Unterschied besteht. Man kann zwar Menschen, die sich mit dem Inhalt der Bibel und der Lehre Jesu nicht oder kaum identifizieren, nicht als Christen bezeichnen, wer aber seinen Glauben an Gott durch das vorbehaltlos wortwörtliche Schriftverständnis definiert, nimmt die Bibel ebenfalls nicht ernst, sondern ist in das andere Extrem gefallen. Gerade dies zeichnet nun Kreationisten aus. In ihrer Absicht, gegen Atheismus und liberale Theologie Stellung zu beziehen, meinen sie, die wörtlich verstandenen Aussagen der Bibel in Harmonie mit den Ergebnissen wissenschaftlicher Forschung bringen zu können. Ist dies nicht möglich, nimmt man ohne Zögern Fehler auf Seiten der Wissenschaft an, da Gott die Texte doch Wort für Wort eingegeben habe. So wendet man viel Mühe auf, um z. B. zu „beweisen“, dass die Erde viel jünger sei als allgemein angenommen wird, oder dass tatsächlich alles Sichtbare in sechs Tagen entstand. Hintergrund dessen ist, dass man die Irrtumslosigkeit der Bibel – auch in historischen und wissenschaftlichen Fragen – unbedingt aufrecht erhalten muss, da ihr bereits der kleinste darin befindliche Fehler angeblich jegliche Autorität nähme.
Christen jedoch betrachten die Bibel nicht als ein von Gott verfasstes Sachbuch, sondern als eine Sammlung von Schriften, die unter Seiner Führung von gläubigen Menschen geschrieben wurden. Die von Gott gegebenen geistlichen Inhalte haben die jeweiligen Verfasser im Rahmen des Denkens und der Vorstellungen ihrer eigenen Zeit ausgedrückt, und damit in erster Linie ihren Zeitgenossen mitgeteilt, was Gott ihnen zu sagen hat. Neben Schilderungen von historischen Begebenheiten finden sich Briefe, Lieder in poetischer Sprache, Drohreden oder auch Lehrerzählungen in diesem Buch. Den jeweiligen literarischen Charakter der einzelnen Schriften richtig zu erkennen, ist für eine den Sinn treffende Interpretation unumgänglich. So handelt es sich bei den Schöpfungsgeschichten der ersten drei Kapitel in Genesis nicht um Berichte, denen man mit wissenschaftlich-analytischem Blick begegnen soll. Damit versperrt man sich nur den Zugang zu den wichtigen und tiefgründigen Botschaften. Der Autor wollte in Form sehr anschaulicher Worte vermitteln, warum alles existiert, welche Stellung der Mensch gegenüber Gott und der Schöpfung hat und dass die Auflehnung gegen Gott zum Verlust der Beziehung zu ihm führt. Ein Christ sieht keine Notwendigkeit, die real existierenden Differenzen zwischen den Kapiteln 1 und 2 zu harmonisieren, da es sich offensichtlich um zwei Geschichten mit unterschiedlichem Aufbau und jeweils eigenständiger Darstellung handelt. Das aber wird von Kreationisten geleugnet und stattdessen behauptet, die Geschichte der Erschaffung Adams und Evas im Kapitel 2 sei nur eine genauere Beschreibung des sechsten Tages aus Kapitel 1. Bei diesem vermeintlich positiven Vorhaben, die Exaktheit der Heiligen Schrift zu beweisen, wird dann auch nicht vor grotesken und unehrlichen Argumenten zurückgeschreckt. So habe Gott nicht nur die Sterne, sondern auch deren Lichtstrahlen erschaffen, so dass jene zwar Milliarden Lichtjahre entfernt sind und uns damit als sehr alt erschienen, sie aber in Wirklichkeit nur wenige tausend Jahre alt seien. Viele Menschen lehnen diesen Ansatz zurecht ab, sehen darin aber auch einen Grund, die Bibel als Zeugnis der Wahrheit Gottes zu verwerfen. Diese Schlussfolgerung ignoriert jedoch ebenfalls den wahren Charakter der Heiligen Schriften und ist oft nicht mehr als eine Ausrede. Die Größe der Bibel nun besteht vor allem darin, dass wir durch diese Schriften Gottes Wesen erkennen können. Er zeigt uns, wo wir vor ihm stehen und welcher Weg zur Beziehung zu ihm führt. So spricht der Prophet Micha (8. Jahrhundert vor Christus):
Man hat dir mitgeteilt, o Mensch, was gut ist. Und was fordert der Herr von dir, als Recht zu üben, Güte zu lieben und demütig zu gehen mit deinem Gott? (Micha 6,8)
Diese und viele andere Aussagen der Bibel sprechen zeitlos gültige Wahrheiten aus, die uns helfen sollen, Grund und Ziel unseres Daseins richtig zu erfassen. Um uns seinen Willen mitzuteilen, inspirierte Gott sehr gehorsame, ihm ergebene Menschen, die mit ihrem Glauben und ihrem Eifer auch eine Ermunterung für uns darstellen, die Beziehung zum Schöpfer zu suchen. In seiner Liebe ist er uns in Jesus sogar selbst als Mensch nahe gekommen, wovon die Schriften des Neuen Testaments zeugen. In der Person und Lehre Jesu können wir noch deutlicher als durch die vorhergehenden Schriften erkennen, dass Gott uns zur Umkehr von den selbstsüchtigen, eitlen Zielen hin zu selbstloser Liebe und Gottesfurcht führen will. Ja, in ihm zeigt Gott den Weg heraus aus der Verlorenheit, welche durch die Torheit und den Hochmut der ersten Menschen begann und in so vielen Werken der Menschheit stets sichtbar ist. Diesen Weg sollen wir gehen, indem wir das Wort Gottes ernst nehmen und Jesus unser Leben anvertrauen, denn er verspricht:
Wenn ihr in meinem Wort bleibt, so seid ihr wahrhaft meine Jünger; und ihr werdet die Wahrheit erkennen und die Wahrheit wird euch frei machen
und
Ich bin die Auferstehung und das Leben; wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er gestorben ist; und jeder, der da lebt und an mich glaubt, wird nicht sterben in Ewigkeit.
(nachzulesen im Johannesevangelium, Kapitel 8,31–32 und 11,25–26)